Apotheke feiert 100-jähriges Bestehen

Rhein-Mosel-Fachklinik Andernach: Von der Herstellung von Salben und Tinkturen zum Hightech-Labor

!00 Jahre Apotheke der Rhein-Mosel-Fachklinik Andernach

Einige werden sich noch daran erinnern, wie Apotheken einst aussahen: In unzähligen braunen Gläsern mit für Laien geheimnisvollen Beschriftungen wurden Rohstoffe aufbewahrt, die von Pharmazeuten abgewogen und gemischt wurden, auch noch als es längst fertig verpackte Medikamente gab. So entstanden Salben, Tinkturen und Pillen, die den Patienten mit den entsprechenden Anweisungen gegeben wurden. Auf diese Weise könnte vor 100 Jahren auch der Betrieb der Apotheke der heutigen Rhein-Mosel-Fachklinik (RMF) in Andernach im alten Bäderhaus begonnen haben. Heute ist die Apotheke ein regelrechtes Hightech-Labor mit zahlreichen Serviceleistungen für verschiedenste Berufsgruppen.

Von den Ursprüngen der Klinikapotheke ist heute so gut wie nichts mehr übrig. Jens Kickuth, Leiter der Apotheke und Leitender Apotheker des Landeskrankenhauses (AöR), findet in einem Schrank in seinem Büro noch ein paar alte Bücher, darunter das Deutsche Arzneibuch von 1926, alte Briefe, ein Opiatebuch und eine in Buchform gebundene gesammelte Ausgabe der Süddeutschen Apothekerzeitung.

Selbst hergestellt wird in Zeiten industrieller Herstellung so gut wie nichts mehr; heute gibt es fertige Arzneimittel. Und davon richtig viele! Nahezu 1.000 verschiedene Medikamente lagern in der RMF-Apotheke – hauptsächlich natürlich Medikamente, die in der psychiatrischen und neurologischen Behandlung benötigt werden, aber auch allgemein gebräuchliche Mittel.

Von Andernach aus werden auch die Klinik Nette-Gut in Weißenthurm und die Tageskliniken versorgt. Über eine Einkaufsgemeinschaft für das gesamte Landeskrankenhaus kann mit besseren Bedingungen im größeren Maße eingekauft werden.

Wieder war die Apotheke der RMF Vorreiter – und ist es bis heute (sie ist nach wie vor die einzige Klinikapotheke in Rheinland-Pfalz mit dieser Art der Medikamentenversorgung). „Wir garantieren beste Sicherheit“, sagt Jens Kickuth.

Dr. Sarin musste seinerzeit viel Überzeugungsarbeit leisten und schaffte es, die entscheidenden Player im Unternehmen von der Effizienz, der Sicherheit und der Arbeitsersparnis für andere Berufsgruppen zu überzeugen. Wo früher Pflegefachleute die Medikamente aus einem Schrank nehmen und individuell für die Patienten bereitstellen und dabei trotz großem Stress besondere Sorgfalt zeigen mussten, kommen in der RMF die individuellen Medikamente maschinell verpackt in der richtigen Dosierung an und werden an die Patienten ausgegeben. Das spart sehr viel Zeit.

Dass es so reibungslos funktioniert, ist kein Selbstläufer. In der Apotheke geht der Ausgabe der Medikamente in den kleinen, maschinell abgepackten Tütchen sehr viel fachliche Arbeit voran, die extrem sorgfältig ausgeführt werden muss. „Das Personal hat ein sehr kompaktes Programm“, so Jens Kickuth. Das Zuteilungsmanagement benötigt sehr viel Zeit. Die Folge: „Wir laufen dem Zeitkontingent hinterher.“ Erschwerend kommt hinzu, dass es immer problematischer wird, Medikamente zuverlässig zu erhalten; zum Teil werden daher wichtige Medikamente in einer Bestellung in einem Halbjahres- beziehungsweise Jahresbedarf eingekauft, um einem zu befürchtenden Mangel vorzubeugen.

Vorbereitungen für zweite Unit-Dose-Linie
Aktuell werden Vorbereitungen getroffen, eine zweite, noch modernere Unit-Dose-Linie, die nach dem Krankenhauszukunftsgesetz gefördert wird, in die Apotheke zu integrieren; in etwa einem Jahr sollte es so weit sein. Zuvor wird ein Labor in Reinraumklasse D gebaut. Bis dahin liegt noch viel Arbeit – und auch viel Bürokratie – vor dem Apothekenteam.

Der leitende Apotheker beschreibt den Servicelevel der 100 Jahre alten, modernen Apotheke als „sehr hoch“. Neben der Unit-Dose-Versorgung, von der Patienten und Angehörige anderer Berufsgruppen profitieren, der Übernahme der pharmazeutischen Logistik des gesamten Landeskrankenhauses (die Arzneimittelauswahl wird durch die Arzneimittelkommission getroffen) und verschiedener pharmazeutischer Dienstleistungen, steht die interprofessionelle Zusammenarbeit in wichtigen Kommissionen auf der Agenda der Apotheke. So können die Pharmazeuten mit ihrer Erfahrung und ihrem Fachwissen zu einem sicheren Ablauf in der Klinik beitragen.

Diese Masse an Medikamenten bringt das Thema Arzneimittelsicherheit in den Fokus. Ein Blick in die Historie von Klinikapotheken zeigt, dass Apotheker zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit dem Aufkommen erster chemischer Arzneien zunächst ihre klinische Rolle verloren. Erst nach dem zweiten Weltkrieg besann man sich allmählich wieder auf das Expertenwissen im eigenen Haus, denn Apotheker kennen durch ihr enormes Fachwissen richtige Arzneien in richtigen Dosierungen und wissen um Neben- und Wechselwirkungen.

Vorreiter: Apotheker nimmt an Chefarztvisite teil
Die Andernacher Klinik war in Deutschland Vorreiter – dort wurde 1989 eingeführt, dass der Chef der Apotheke an den Chefarzt-Visiten teilnimmt. Der langjährige Apothekenleiter Dr. Sanjiv Sarin erinnert sich an diese Zeit: Nach vereinzelter anfänglicher Skepsis wurde dies schnell sehr gut aufgenommen, die Teilnahme an der Visite mündete in einem ganz besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten und Apotheker.

Der Schritt zur hochmodernen Apotheke, wie man sie heute kennt und wie sie geschätzt wird, wurde endgültig gegangen mit der Einführung der Unit-Dose-Versorgung. Hierbei werden die Arzneimittel patientenindividuell zusammengestellt, von einem Blisterautomaten etikettiert und an die einzelnen Stationen ausgeliefert. Wolfgang Pape

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