Entlastung für die Angehörigen

Die Geriatrische Tagesstätte in der Rheinhessen-Fachklinik feiert ihr 20-jähriges Bestehen / Auch Demenz-Kranke fit halten

Von Stefanie Widmann

ALZEYDie Klinik spricht von Gästen, nicht etwa von Patienten oder Betreuungsbedürftigen. Täglich 18 Gäste hat die Geriatrische Tagesklinik der Rheinhessen-Fachklinik (RFK), insgesamt 400 sind in den vergangenen Jahren dort ein- und ausgegangen. Manche kommen fünfmal die Woche, andere zwei bis drei Mal – das liegt am Bedarf der Angehörigen, aber auch daran, wie viel sich über die Pflegekasse finanzieren lässt. Ausgebucht ist die Geriatrische Tagesstätte der RFK auf jeden Fall. Am Freitag feiert sie mit einer Fachtagung ihr 20-jähriges Bestehen.

Möglichst lange zu Hause leben – das ist das Ziel fast jeden Menschen, und auch Familien wünschen sich in der Regel, möglichst dauerhaft zusammenzusein. Aber wenn die Eltern oder der Partner alt werden, wenn vielleicht noch Demenz im Spiel ist, kann das ständige Zusammenleben zu einer echten Belastungsprobe werden.

Senioren möglichst lange fit zu halten und Angehörige zeitweise von der Betreuung zu entlasten, das war vor 20 Jahren denn auch das Ziel, als die Rheinhessen-Fachklinik die in Alzey und Umgebung damals erste Geriatrische Tagesstätte aufbaute. Nachdem 1995 die Pflegeversicherung gegründet worden war, initiierte der damalige Chefarzt der gerontopsychiatrischen Abteilung, Dr. Wolfgang Gather, das Angebot. Es sollte helfen, nach einem vollstationären Aufenthalt die Rückkehr der Patienten in die Familie und die dortige Versorgung zu erleichtern.

„Wir hatten festgestellt, dass das häusliche Umfeld oft überfordert war, wenn ein Patient aus der Klinik zurückkam“, beschreibt RFK-Pflegedirektor Frank Müller die Ausgangslage. Die Entlastung pflegender Angehöriger sei daher die Grundidee für die Tagesstätte gewesen. Es habe sich schnell herausgestellt, dass es in der Tagesklinik gut gelinge, die Betroffenen mit einer Tagesstruktur zu versorgen und diese sich hier in der Regel auch gerne betreuen und oft besser motivieren lassen als zu Hause. Mit 15 Plätzen eröffnete die Einrichtung und wurde gut angenommen.

Inzwischen bietet die RFK 18 Plätze an, damit waren die räumlichen Kapazitäten dann aber auch erschöpft. Mittlerweile haben sich in Alzey andere Anbieter dazugesellt, trotzdem ist die Geriatrische Tagesklinik der RFK weiter stark nachgefragt. Seit ihrer Gründung und bis heute befindet sich die Einrichtung in der ehemaligen Küche der Klinik. „Wir haben mehrfach überlegt, ob wir in die Innenstadt ziehen sollen“, sagt Müller. Aber der Park und das Freizeitangebot auf dem Gelände der RFK seien einfach unschlagbar. Wichtig war auch, für die Gäste eine wohnliche, gemütliche Atmosphäre zu schaffen, die ein Zuhause-Gefühl vermittelt. Die insgesamt 55 Gäste, die derzeit in wechselnder Zusammenstellung in den Räumen versorgt werden, stammen aus dem gesamten Landkreis Alzey-Worms und werden mit dem Taxi geholt und heimgebracht. Bettina Koch und Maria Kump, die die Strukturen, das Konzept und die Umsetzung von Anfang an betreuten, sind bis heute dabei. Zu den aktuell 13 Mitarbeitern, die überwiegend in Teilzeit umgerechnet sechs Vollzeitstellen bedienen, gehören Sozialarbeiter, Fachkrankenschwester, Krankenschwestern, Altenpfleger und zusätzliche Betreuungskräfte. Geändert hat sich in den zwei Jahrzehnten eigentlich nur eins: Der Altersdurchschnitt der Gäste ist von anfangs 70 auf heute 80 Jahre gestiegen, es sind mittlerweile auch verstärkt über 90-Jährige dabei.

„Der Erhalt der Selbstständigkeit und Entlastung der Angehörigen ist unser großes Ziel“, sagt Müller. Die Zusammenarbeit mit Letzteren ist dabei sehr intensiv. Bei der Übergabe beziehungsweise in regelmäßigen Telefonaten würde mit den Angehörigen darüber gesprochen, wie die Nacht beziehungsweise der Tag verlaufen seien und welche besonderen Dinge gerade zu beachten seien. Gemeinsame morgendliche Zeitungslektüre, Sitztanz, therapeutisches Kochen und Backen, Spaziergänge und Aktivitäten auf dem RFK-Gelände sowie Vorlesestunden mit Kita-Kindern gehören zum Angebot Dabei steht die Geriatrische Tagesstätte ebenso wie die Kita natürlich vor allem den eigenen Mitarbeiter für ihre Angehörigen offen – etwas, das aus Müllers Sicht die RFK als Arbeitgeber zusätzlich attraktiv macht.

Allgemeine Zeitung, 30. Januar 2020

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