Innovatives Versorgungsmodell für Menschen mit Demenz und pflegende Angehörige

Abschlussveranstaltung zum Projekt „DemStepCare“

Team DemStepCare

Das Projekt „DemStepCare“ des Landeskrankenhauses (AöR) endete im März 2023 mit einer Abschlussveranstaltung im Tagungszentrum der Rheinhessen-Fachklinik Alzey (RFK). Ziel des vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) mit 4,3 Millionen Euro geförderten Projekts ist die Verbesserung der Versorgungssituation von Menschen mit Demenz und eine bedarfsgerechte Unterstützung der pflegenden Angehörigen. Modellregion für DemStepCare waren der Landkreis Alzey-Worms, die Stadt Worms, der Landkreis Bad Kreuznach, der Landkreis Mainz-Bingen und Teile des Landkreises Bad Dürkheim sowie des Donnersbergkreises.

Um Menschen mit Demenz gut zu versorgen und ihnen möglichst lange eine aktive Teilhabe am Leben zu ermöglichen, ist eine frühzeitige Diagnose sowie ein zeitnaher Start von Behandlung und Betreuung nötig. Doch nur etwa die Hälfte aller Betroffenen erhalten die Diagnose – und das häufig erst, wenn die Versorgung in einer Krise mündet, ausgelöst etwa durch Verhaltensauffälligkeiten der Menschen mit Demenz oder durch die Erschöpfung pflegender Angehöriger. Nicht selten folgen darauf Krankenhauseinweisungen, die mit hohen Kosten sowie häufigen Komplikationen verbunden sind. Eine effektive Möglichkeit zur ambulanten Krisenintervention gibt es bisher in der Regelversorgung nicht.

Hier setzt DemStepCare an: Haus- und Fachärzte sowie Kliniken sollen stärker miteinander vernetzt werden, die Kommunikation der regionalen Demenzversorger soll optimiert werden.

Case-Management als zentrale Schnittstelle

Zentrale Schnittstelle sind dabei sogenannte Case-Manager:innen, die eng mit Hausarztpraxen zusammenarbeiten. Sie erfassen den Versorgungsbedarf der Menschen mit Demenz zum Zeitpunkt der Diagnosestellung und schätzen mögliche Versorgungsrisiken ein – hierbei werden auch die versorgenden Angehörigen einbezogen. Beim Auftreten von Versorgungsrisiken werden die Patient:innen und sofern nötig auch die pflegenden Angehörigen durch eine Krisenambulanz mitbetreut.

Insgesamt war geplant, bis zu 400 Menschen mit Demenz in der Modellregion so zu behandeln und zu versorgen (die Corona-Pandemie erschwerte die Durchführung der ursprünglichen Planung). Zur Evaluation werden nun nach Projektende deren Ergebnisse mit denen einer Gruppe von Menschen mit Demenz, die regulär behandelt wurden, verglichen.

„Zukunftsweisendes Projekt“

Frank Müller, ehemaliger Pflegedirektor der RFK Alzey, nannte das Projekt „zukunftsweisend“. Er ermunterte Anwesende, mutig zu sein und solche Versorgungsmodelle zu organisieren. „Es lohnt sich.“

Ministerialdirektor Daniel Stich aus dem rheinland-pfälzischen Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit, zugleich Vorsitzender des Aufsichtsrats des Landeskrankenhauses, unterstrich die Häuslichkeit bei der Versorgung von Menschen mit Demenz als „festen Anker“. Stich kennt den Wunsch, Betroffene möglichst lange zu Hause zu pflegen. Dabei sollten die Angehörigen nicht vergessen werden.

Bei Demenz: „Krankenhaus ist kontraproduktiv.“

Prof. Dr. Andreas Fellgiebel, Zentrum für psychische Gesundheit im Alter (ZpGA) des Landeskrankenhauses, ist Ideengeber und Leiter von DemStepCare. Er beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit der Frage, was Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen benötigen.

Oft werde die Diagnose erst gestellt, „wenn die Versorgung auf der Kippe steht“. Werden Betroffene dann in eine Klinik eingewiesen, verschlechtert sich der Zustand. „Krankenhaus ist kontraproduktiv.“

Also: Ist eine Krise eingetreten, „müssen wir garantieren, dass schnell jemand vor Ort ist“, so Prof. Fellgiebel. Die Case-Manager:innen und Pflegeexpertinnen der Krisenambulanz bewiesen während des Projekts, dass eine bedarfsgerechte, engmaschige, aufsuchende Versorgung möglich ist. 

Dr. Katharina Geschke, stellvertretende Leiterin des Projekts DemStepCare im ZpGA, ließ in einem Interview eine pflegende Angehörige berichten, um den Praxiseinsatz während des Projekts näherzubringen. Diese Angehörige berichtete, dass der von ihr gepflegte Ehemann einen epileptischen Anfall erlitt – die Versorgungskrise war eingetreten. In der Risikostratifizierung der Case-Managerin nach einem Ampelsystem wurde sie auf Versorgungskrise hochgestuft. Entsprechend wurden die Unterstützungsleistungen angepasst und die Krisenambulanz tätig.

84 Prozent der Menschen mit Demenz werden zu Hause gepflegt

Mit der zurzeit laufenden wissenschaftlichen Evaluation von DemStepCare ist Emre Özbulut vom Institut für Medizinische Biometrie und Statistik am Universitätsklinikum Freiburg beschäftigt. Die Ergebnisse werden veröffentlicht, sobald die Auswertungen abgeschlossen sind.

Prof. Dr. Peter Löcherbach (Deutsche Gesellschaft für Care und Casemanagement) referierte zum Thema „Case Management: Ein wichtiger Baustein in der Demenzversorgung“. 

Prof. Dr. Michael Löhr, LWL-Klinikum Gütersloh, beschäftigt sich mit der qualitativen Datenauswertung der Evaluation. Wie immens wichtig es ist, sich auch intensiv mit den pflegenden Angehörigen zu beschäftigen, zeigt diese Zahl: 84 Prozent der Menschen mit Demenz werden zu Hause von Angehörigen gepflegt. Prof. Löhr liest aus den bereits ausgewerteten Interviews, dass Angehörige und Betroffene im Projekt ununterbrochen Unterstützung erhielten. Case-Manager:innen waren stets gut erreichbar, die Hilfen konkret an die Bedürfnisse angepasst. Sie fühlten sich besser informiert über die Erkrankung Demenz. Subjektiv verbesserte sich für die Teilnehmenden die Gesamtsituation.

Auf dem Foto sehen Sie (v.l.): Dr. Katharina Geschke (stv. Projektleiterin, wissenschaftliche Mitarbeiterin ZpGA), Teresa Weber (Projektkoordinatorin, Center Managerin ZpGA), Prof. Andreas Fellgiebel (Leiter ZpGA, Projektleiter), Svenja Palm (wissenschaftliche Mitarbeiterin ZpGA), Prof. Alexandra Wuttke (Leiterin ZpGA)

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