Klinik Nette-Gut kooperiert mit heimischen Unternehmen
Maßregelvollzug: Erfolgreiche Resozialisierung durch geregelte Arbeit
Über diesen Moment hat sich Helmut Isbrecht, Geschäftsführer des Andernacher Unternehmens Ullrich-Sport, besonders gefreut: Sein Auszubildender Andreas K. (Name geändert) wurde als einer der besten Auszubildenden in Rheinland-Pfalz von der IHK Koblenz geehrt. Die Besonderheit ist, Andreas K. war zum Zeitpunkt, da er bei Ullrich-Sport als Praktikant begann, Patient der Klinik Nette-Gut für Forensische Psychiatrie (KNG) in Weißenthurm. Er bewährte sich und als ihm die Ausbildung angeboten wurde, nutzte er seine Chance. Nun ist er einer der besten seines Jahrgangs.
„Das ist ein außergewöhnliches Beispiel für eine gelungene Resozialisierung“, freut sich auch Guido Bodenheim, Leiter der stationsübergreifenden Therapien der Klinik. Die Behandlung in der Klinik Nette-Gut, eine Einrichtung des Landeskrankenhauses (AöR), dient der Besserung und Sicherung von Patientinnen und Patienten auf Grundlage des Maßregelvollzugsgesetzes Rheinland-Pfalz. Sämtliche Therapiemaßnahmen sind darauf ausgerichtet, die Resozialisierung der Patienten mit der größtmöglichen Sicherheit für die Bevölkerung zu verbinden. Eine erfolgreiche Resozialisierung ist gleichermaßen im Interesse der Patienten wie auch der Gesellschaft.
Ein wirksames Mittel für eine gelungene Resozialisierung ist es, Patienten in ein reguläres Arbeitsverhältnis zu vermitteln, weiß Guido Bodenheim. Hierbei spielt unter anderem die Arbeitstherapie der Klinik eine wichtige Rolle. „Erwerbstätigkeit in Form einer geeigneten Arbeitsstelle wirkt grundsätzlich stabilisierend auf die Lebenssituation von psychisch kranken Menschen und Menschen mit Suchterkrankungen.“
Ein fester Arbeitsplatz gewährleistet finanzielle Unabhängigkeit und ermöglicht eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Der Leiter der stationsübergreifenden Therapien weiß aber auch, dass die Eingliederung von Maßregelvollzugspatienten eine „komplexe Aufgabe“ ist.
Um die Resozialisierung erfolgreich durchzuführen und Patienten in eine geregelte Arbeit zu bringen, sind Kooperationen mit Unternehmen unabdingbar. Das Unternehmen Ullrich-Sport ist seit 2017 ein wichtiger und zuverlässiger Partner. Bodenheim und Isbrecht lernten sich kennen, als die Rhein-Mosel-Fachklinik und die Klinik Nette-Gut Tischkicker kauften. Ullrich-Sport ist eine feste Größe in der Tischkicker-Szene. Das Unternehmen beliefert weltweit Spieler und Unternehmen, ist bei professionellen Spielern durch die Qualität der Geräte bekannt und beliebt und kann durch innovative Ideen viele Sonderwünsche bei der Fertigung erfüllen. All das geschieht von Andernach aus.
Nach dem ersten Kontakt kam es zu der Kooperation, die bis heute andauert: Bestimmte Arbeiten wie etwa die Stangenmontage werden von der Arbeitstherapie der Klinik in Weißenthurm ausgeführt. „Die Klinik als Partner“, erklärt Helmut Isbrecht, „ist sehr flexibel. So können Produktionsspitzen aufgefangen werden.“
34 Praktikanten seit 2017
Der nächste Schritt in der Kooperation war es, Patienten ein bezahltes Praktikum bei Ullrich-Sport anbieten zu können. Die klinikeigene Schreinerei ist sensibilisiert, so Guido Bodenheim, dass geeigneten Patienten diese Möglichkeit offensteht. Eine Voraussetzung dafür ist, dass ein Patient durch Therapiefortschritte eine bestimmte Lockerungsstufe erreicht hat, die den selbstständigen Aufenthalt außerhalb der Klinik ermöglicht.
Während der Zeit des Praktikums werden Patienten vom Sozialdienst der Klinik betreut, der Arbeitgeber kann jederzeit Rücksprache mit der Klinik halten. Dieses System funktioniert bis heute reibungslos – 34 Praktikanten aus der Klinik waren seit 2017 bei Ullrich-Sport beschäftigt. Und dass ein Praktikum für KNG-Patienten nicht das Ende der Fahnenstange sein muss, belegt die Tatsache, dass derzeit zwei Auszubildende und drei Arbeiter in Festanstellung dort arbeiten. Diplom-Sozialarbeiterin Gabi Bruns berichtet von einer sehr guten Zusammenarbeit; Patienten fühlten sich sehr wohl beim Andernacher Unternehmen.
Es ist ein Neuanfang
Helmut Isbrecht ist sozial sehr engagiert. Er arbeitete vor seiner Selbstständigkeit zehn Jahre lang als Ergotherapeut mit körperlich und geistig behinderten Menschen. So hatte er von Beginn an auch keinerlei Berührungsängste mit Patienten aus dem Maßregelvollzug. Für ihn gilt, „was die Therapeuten der Klinik sagen, passt. Die Vergangenheit der Praktikanten interessiert nicht“. Wenn jemand von sich aus etwas erzählen möchte aus seinem früheren Leben, könne er das tun. Es werde aber nicht nachgefragt; das gelte für die gesamte Belegschaft. „Es ist ein Neuanfang für die Patienten“, sagt Helmut Isbrecht.
Im Betrieb gut aufgenommen
Andreas K. berichtet, dass er bereits als Praktikant gut aufgenommen, schnell eingearbeitet wurde und früh eigenständig arbeiten durfte. Sein Potenzial wurde erkannt, man bot ihm die Ausbildung an. Das war durch seinen Status als Patient zunächst nicht ganz einfach, gelang schließlich aber mit der Unterstützung seiner Therapeutin und der für ihn zuständigen Sozialarbeiterin. Als es dann offiziell losging, musste er wieder „lernen zu lernen“, sagt Andreas.
Aktuell ist Andreas K. in der sogenannten Dauerbeurlaubung des Maßregelvollzugssystems. Er wohnt in Andernach in einer Wohnung der Rhein-Mosel-Fachklinik – nur noch wenige Monate ist er an die KNG gebunden. Der als einer der besten Auszubildenden aus ganz Rheinland-Pfalz Geehrte darf sich nun Fachlagerist nennen. Die Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik steht im nächsten Schritt an. Und er hat bereits weitere Pläne – die Motivation ist hoch.
Kooperation bringt beiden Seiten Gewinn
Die Kooperation zwischen Ullrich-Sport und der Klinik Nette-Gut hat Gewinner auf beiden Seiten: Das Unternehmen kann durch die Auslagerung von Produktionsschritten Produktionsspitzen zuverlässig ausgleichen. Mit der Übernahme von Praktikanten in ein Ausbildungsverhältnis werden Fachkräfte ausgebildet. Die Klinik erfährt durch die Kooperationen eine wichtige Unterstützung auf dem bedeutsamen Weg, therapierte Patienten zurück in die Gesellschaft zu führen. Und letztlich erhalten Patientinnen und Patienten die Chance auf einen (Wieder)-Einstieg in ein geordnetes Leben. Die Verantwortlichen der Klinik Nette-Gut werden deshalb auch zukünftig alles dran setzen, Kooperationen dieser Art zu erhalten und nach Möglichkeit auszubauen. Wolfgang Pape