Land will weiter in Maßregelvollzug investieren

Forensiktage der Klinik Nette-Gut - 50 Jahre Behandlung in Weißenthurm

Klinik Nette-Gut - Direktorium mit Gesundheitsminister

Das Direktorium der Klinik Nette-Gut mit Gesundheitsminister Clemens Hoch (v. l.): Administrator Peter Blum, Pflegedirektor Andreas Emmerich, Clemens Hoch, der Kaufmännische Direktor Dr. Thorsten Junkermann, der Ärztliche Direktor Dr. Frank Goldbeck und die stellvertretende Pflegedirektorin Dagmar Weidmann. Foto: Pape

Nach fast vierjähriger Corona-Zwangspause haben die Forensiktage der Klinik Nette-Gut endlich wieder in Präsenz stattgefunden. Als man sich zuletzt 2019 traf, sagte der Ärztliche Direktor Dr. Frank Goldbeck, „war die Welt noch in Ordnung“. Zwei Drittel der deutschen Kliniken des Maßregelvollzugs sind mittlerweile überbelegt, zitierte er aus einer Studie. „Das hat auch bei uns zu Konsequenzen geführt.“ Laut einer DGPPN-Befragung konnten viele Kliniken nicht mehr alle Therapien anbieten wegen Platzmangel. Durch die Enge stieg die Zahl der Aggressionsereignisse in der KNG, „auch der Schweregrad hat zugenommen“.

„Wir brauchen eine Öffnung und eine Ambulantisierung des Maßregelvollzugs“

Clemens Hoch, rheinland-pfälzischer Minister für Wissenschaft und Gesundheit, dankte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre anspruchsvolle und harte Arbeit. Er versprach, das Land werde auch weiterhin in den Ausbau des Maßregelvollzugs in Rheinland-Pfalz investieren. Er nannte unter anderem den geplanten Entlastungsbau mit 80 Plätzen für die forensisch-psychiatrische Behandlung in der Rheinhessen-Fachklinik Alzey, die wie die Klinik Nette-Gut zum Landeskrankenhaus (AöR) gehört..

Zudem betonte Hoch, dass neben finanziellen Investitionen auch die Reform des Paragrafen 64 des Strafgesetzbuches notwendig sei, nach dem suchtkranke Straftäter eingewiesen werden. „Wir brauchen außerdem eine engere Zusammenarbeit mit der Eingliederungshilfe", sagte er, sowie eine stärkere Einbindung der Gemeindepsychiatrie, damit die Patientinnen und Patienten nach Beendigung der Maßregel betreut werden können. Minister Clemens Hoch sprach sich zudem für ambulante Strukturen im Maßregelvollzug aus: „Wir brauchen eine Öffnung und eine Ambulantisierung des Maßregelvollzugs. Wir müssen uns das als Gesellschaft trauen."

Der erste Tag der Forensiktage stand ganz im Zeichen des 50-jährigen Jubiläums der Klinik im vergangenen Jahr (die Tagung fiel im November wegen der Pandemie aus). Administrator und Sicherheitsbeauftragter Peter Blum, die leitende Psychotherapeutin Michaela Schwarz und der ehemalige Kaufmännische Direktor der Rhein-Mosel-Fachklinik Werner Schmitt fassten in ihren Fachgebieten die Entwicklung der Klinik zusammen. Er freue sich, dass das Jubiläum der Klinik mit dieser Tagung gewürdigt wurde, sagte der Ärztliche Direktor.

Perspektiven des Maßregelvollzugs

Der zweite Tag stand fachlich im Zeichen der Perspektiven des Maßregelvollzugs. So wurde beispielsweise über den Reformbedarf des Paragraphen 64 des Strafgesetzbuches gesprochen. Die Optimierung der Behandlung wurde diskutiert und die Frage der Gewinnung neuer Beschäftigter. Dr. Goldbeck weiß, dass auch die Zusammenarbeit mit universitären Einrichtungen nötig ist. Dass der Maßregelvollzug auch offen für innovative Methoden ist, bewies ein Vortrag über den Einsatz virtueller Realität in der forensischen Therapie. Auch wenn diese Art der Therapie leider noch sehr teuer ist, zeigt sich damit, dass bislang ungeahnte Möglichkeiten im Maßregelvollzug realisierbar sind.

Können Patient:innen aus dem Maßregelvollzug entlassen werden, ist das Entlasssetting von Bedeutung. Der letzte Vortrag der Forensiktage beleuchtete das Risikomanagement bei entlassenen Patient:innen und forderte eine weitere und verstärkte Implementierung spezieller Nachsorgeeinrichtungen. Daran knüpfte Dr. Goldbeck in seinem Schlussplädoyer an: „Wir brauchen einen sozialen Empfangsraum.“ Derzeit gebe es viele Patient:innen im Maßregelvollzug, die eigentlich nicht mehr dort sein müssten, für die jedoch eine Unterbringungsmöglichkeit fehle. Bei einem Runden Tisch soll auf Landesebene darüber beraten werden, wie die Eingliederungshilfe stärker einbezogen werden kann. Die Klinik Nette-Gut, so der Ärztliche Direktor, „ist bereit, über die Ambulanz Know how bereitzustellen“, um die entsprechenden Einrichtungen zu unterstützen. Wolfgang Pape

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