Warum diese Tagesklinik wichtiger wird

Einrichtung in Cochem ist seit 20 Jahren wohnortnahe Anlaufstelle für psychisch Erkrankte – Wie das Team Menschen hilft

Autor Brigitte Meier

COCHEM Psychische Erkrankungen haben viele Facetten, und Therapien können in Stufen und Zwischenbereichen verlaufen. So sind erwachsene Patienten, bei denen einerseits die ambulante psychiatrische Behandlung nicht ausreicht, die jedoch andererseits so stabil sind, dass sie keiner vollstationären Behandlung mehr bedürfen, gut in der Tagesklinik in Cochem aufgehoben. Diese Einrichtung der Rhein-Mosel-Fachklinik Andernach ist seit 20 Jahren eine wichtige wohnortnahe Anlaufstelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Die Tagesklinik ist umso wichtiger, da ärztliche und psychologische Psychotherapeuten in einer ländlichen Region wie dem Kreis Cochem-Zell rar gesät sind. Chefarzt Dr. Andreas Konrad stellt gar fest: „Eine Versorgungsstruktur ist kaum vorhanden. Das Problem hat sich in den vergangenen Jahren noch zugespitzt.“

Das liege zum einen am allgemeinen Facharztmangel in allen Bereichen, zum anderen daran, dass sich zu wenige Medizinstudenten für den Fachbereich Psychiatrie spezialisieren, erklärt Konrad im Gespräch mit unserer Zeitung. Ein weiterer Grund sei, dass psychische Erkrankungen häufiger diagnostiziert werden: „So wurden etwa Depressionen früher oft nicht als Erkrankung erkannt.“ Es sei schlimm, dass depressive Patienten mitunter sechs Monate auf den Beginn einer Therapie warten müssen. Um den tatsächlichen Bedarf besser abzudecken, plant die Tagesklinik, die sogenannten aufsuchenden Angebote zu stärken. Das heißt, dort, wo es möglich ist, fahren Ärzte, Pfleger, Sozialarbeiter oder Therapeuten zu den Patienten nach Hause. Konrad betont jedoch: „Wie genau das aussehen wird, ist noch offen. Der Aufbau wird noch Zeit in Anspruch nehmen und hängt auch von den gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Frage der Finanzierung ab.

Weitere Zukunftspläne betreffen etwa die digitalen Möglichkeiten, um Patienten zu helfen. Konrad findet: „Online-Beratungen könnten Patienten über die langen Wartezeiten bis zur Therapie hinweghelfen.“ Außerdem beschäftigt sich das Fachpersonal der Tagesklinik ständig mit neuen Therapieformen und ihrer möglichen Anwendung.

Derzeit kümmern sich elf Mitarbeiter um die Belange der Patienten. Das Team umfasst Facharzt und Fachpfleger, Psychotherapeutinnen, Ergotherapeutin und Sozialarbeiterin. Für die Patienten stehen 15 Plätze zur Verfügung. Die Tendenz der behandelten Krankheiten geht in Richtung Stress, Burn-out und Depressionen. Viele Menschen fühlen sich im privaten oder beruflichen Umfeld überlastet und entwickeln Depressionssymptome. Das beobachtet das Team der Tagesklinik häufiger, sagt Konrad: „Dies liegt möglicherweise an Veränderungen in der Gesellschaft, insbesondere an den Arbeitsplätzen.“ Aufgrund der Zunahme der psychosozialen Faktoren hat die Psychotherapie laut Konrad an Bedeutung gewonnen.

Das therapeutische Programm ist auf Einzel- und Gruppentherapie ausgerichtet, beschreibt Facharzt Dr. Jürgen Reichert die Arbeit in der Tagesklinik. Ob Psychotherapie, Training zur Stressbewältigung, Atem- oder Muskelentspannung, Schwimmen, der Besuch des Fitnessstudios oder Ergotherapie – der Tagesablauf ist individuell und vielschichtig. Ganz alltägliche „Übungen“ wie Kochen oder Backen gehören ebenso zum Programm, um Patienten eine Tagesstruktur zu schaffen. Die Tagesklinik bereitet die Patienten auf ihren Alltag vor, den sie einmal – soweit möglich – ohne Hilfe bewältigen sollen.

Anja Fuhrmann, pflegerische Leiterin, blickt auf die vergangenen 20 Jahre zurück und stellt fest: „Der offene Umgang mit psychischen Erkrankungen hat sich verbessert. Es ist ein Fortschritt, dass sich viele Patienten nicht mehr verstecken.“ So pflegt die Tagesklinik auf Wunsch auch den Kontakt mit den Angehörigen, um ihnen den Umgang mit den Tagesklinik-Patienten zu erleichtern, die ja abends und an den Wochenenden in ihre häusliche Umgebung zurückkehren.

„Viele Menschen fühlen sich im privaten oder beruflichen Umfeld überlastet und entwickeln Depressionssymptome.“

Chefarzt Dr. Andreas Konrad

Rhein-Zeitung, 7. September 2019

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