Wichtiges Opfer-Gedenken am Mahnmal

An einem Tag der Stille gedachten Alzeyer Kolleginnen und Kollegen gemeinsam mit Kommunalvertretern und Psychiatrie-Erfahrenen den Opfern des Nationalsozialismus

Vertreter der Rheinhessen-Fachklinik, der Stadt Alzey, des Landkreises Alzey-Worms und des Netzwerks Psychiatrie-Erfahrener gedachten am Mahnmal der Klinik den Opfern des Nationalsozialismus.

Millionen Menschen in Deutschland demonstrieren dieser Tage gegen die wirren Fantasien einer rechtsextremen und demokratiefeindlichen Minderheit, die nichts außer Destruktivität und Ausgrenzung zu verlautbaren hat. Millionen Menschen halten dieser Tag in dieser Zeit zusammen und stehen weithin sichtbar für Toleranz, Gleichheit und Vielfalt. Das darf nicht aufhören: „Nie wieder ist jetzt!“

Es gibt aber auch Tage wie den 27. Januar, an dem alljährlich an die Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz gedacht wird, an die Opfer des Nationalsozialismus. Dieser Tag, der jetzt wieder in Alzey begangen wurde, reiht sich gerade ein in all die Demonstrationen, ist aber, anders wie die lautstarken Forderungen, ein Tag der Stille. Kolleginnen und Kollegen der Rheinhessen-Fachklinik Alzey, die Stadt Alzey, der Landkreis Alzey-Worms und das Netzwerk Psychiatrie-Erfahrener in Rheinland-Pfalz haben gemeinsam mit der Arbeitsgruppe „Psychiatrie im Nationalsozialismus Alzey“ - angeführt von Renate Rosenau - wieder wichtige Akzente des Gedenkens gesetzt.

Im Mittelpunkt der Erinnerung standen lange Zeit verleugnete Opfergruppen: die sogenannten „Asozialen“ und die „Gewohnheitsverbrecher“. Den Begriff „Asoziale“ nutzten die Nationalsozialisten als Sammelkategorie zur Verfolgung sozialer Außenseiter, darunter Wohnungslose, Bettler, Landstreicher, Zuhälter, Prostituierte, Arbeitslose, Fürsorgeempfänger und deren Familien. Als sogenannte „Gewohnheitsverbrecher“ galten Menschen, die wegen Delikten wie Einbruch, Diebstahl, Betrug oder Hehlerei bereits einmal verurteilt worden waren. Erst im Februar 2020 erkannte der Deutsche Bundestag diese Menschen als Opfer der NS-Diktatur an.

Schon ab Sommer 1933 traten zahlreiche neue Gesetze und Verordnungen gegen „gemeinschädliche“ Personen in Kraft. Die Gesundheitsämter erhielten eine neue Abteilung für Erb- und Rassenpflege. Deren Mitarbeiter erfassten systematisch von Ort zu Ort Personen, die den nationalsozialistischen Rassehygienikern als minderwertig galten. Über jeden legten sie eine Erbkarteikarte an, auf der sie „negative Auslese“ ankreuzten. Dies war die erste nationalsozialistische amtliche Selektion, seit 1934 durchgeführt von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gesundheitsämter.

1933 legte das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher Maßregeln der Sicherung und Besserung fest. Dazu gehörte die unbefristete Sicherungsverwahrung in Heil- und Pflegeanstalten.

In die Landes- Heil- und Pflegeanstalt Alzey wurden zwischen 1933 und 1941 mehr als 100 Menschen in Sicherungsverwahrung eingewiesen, davon 55 sogenannte Asoziale und 45 sogenannte Gewohnheitsverbrecher. Viele von ihnen stammten aus armen Familien, aufgrund der Weltwirtschaftskrise in Not geraten.

Stellvertretend berichteten Renate Rosenau und Schülerinnen und Schüler der Pflegeschule Alzey anonymisiert über vier Betroffene und ihre Familien aus Rheinhessen.

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