Die Frage ist: Wie lange noch?

Alzeys Kliniken haben wegen des Fachkräftemangels in der Pflege Probleme, alle Stellen zu besetzen

Von Pascal Affelder

ALZEY Sie versuchen, das Beste aus ihren begrenzten Möglichkeiten zu machen. Die Rede ist von den Alzeyer Kliniken, die angesichts des Fachkräftemangels in der Pflege alle Hebel in Bewegung setzen, um genügend Personal für eine angemessene Betreuung der Patienten einzustellen. Selbst Bundesgesundheitsminister Jens Spahn räumte zuletzt öffentlich ernsthafte Probleme in der Pflege ein, mit denen sich seit einiger Zeit auch das DRK Krankenhaus und die Rheinhessen-Fachklinik (RFK) herumschlagen müssen.

„Fachkräfte wachsen eben nicht auf den Bäumen“, sagt Frank Müller. Der Pflegedirektor der RFK spricht von einer „riesigen Herausforderung“. Um diese zu bewältigen, hat das Krankenhaus in den vergangenen Jahren verschiedene Maßnahmen ergriffen. Um junge Leute für den Pflegeberuf zu begeistern, bietet die RFK zahlreiche Praktika und ein Freiwilliges Soziales Jahr an, will in den nächsten Jahren mehr Ausbildungsplätze schaffen.

„Nachwuchs ist ein wichtiges Thema“, sagt Müller. Und weil die Klinik dieses Thema aufgreift, komme sie auch ohne Leiharbeiter aus. „Wir wollen alles mit dem eigenen Personal machen, das wir hier ausgebildet haben“, lautet die Devise. Das ist einer der Gründe, weshalb es Müller ablehnt, Personal von anderen Krankenhäusern abzuwerben. „Das ist Kannibalismus, daran werden wir uns nicht beteiligen.“ Um alle Stellen zu besetzen, wirbt die RFK nicht nur in der Region. 20 Pflegekräfte aus Vietnam arbeiten derzeit in der Alzeyer Klinik.

Unabhängig von den eigenen Lösungswegen ist aber auch die RFK auf die Politik angewiesen, um eine umfassende Versorgung für alle Patienten sicherzustellen. Genau dabei sollten eigentlich die zu Beginn des Jahres vom Bundesgesundheitsministerium verschärften Untergrenzen für Pflegepersonal helfen. Diese schreiben vor, dass in bestimmten Bereichen des Krankenhauses eine gewisse Anzahl an Pflegern pro Patient anwesend sein muss. Ist das nicht der Fall, darf der Patient nicht aufgenommen werden, die Rede ist dann von „geschlossenen Betten“. Frank Müller hält die Untergrenzen nicht für zielführend. „Der tatsächliche Pflegebedarf sollte die Grundlage sein“, sagt er. Heißt konkret: Anstatt Untergrenzen für alle Kliniken festzulegen, müsse der Bedarf täglich an den verschiedenen Stationen neu ermittelt und erfasst werden, um aussagekräftige Werte zu erhalten. Betten zu schließen, weil man die Pflegepersonaluntergrenze nicht erfüllen kann, musste die RFK laut Müller zwar noch nicht, „aber wir wissen auch nicht, wo die Entwicklung hingeht“.

Politik sorgt für viele Fragezeichen

Ähnlich vorsichtig blickt auch Astrid Breitmann in die Zukunft. „Ich bin schon skeptisch“, sagt die Pflegedirektorin des DRK Krankenhauses. Denn in den nächsten Jahren gehen dort einige Pflegekräfte in Rente. Deshalb ist auch Breitmann gemeinsam mit der Geschäftsführung bemüht, alles dafür zu tun, ausreichend Nachwuchs zu gewinnen. 32 Pflegekräfte bildet das DRK Krankenhaus derzeit aus. Auch dort kommen Fachkräfte aus dem Ausland dazu. Neun Pfleger von den Philippinen arbeiten derzeit in der Klinik. „Natürlich dauert es, bis sie hier so arbeiten können, als wären sie hier ausgebildet worden, alleine wegen der Sprache“, sagt die Pflegedirektorin, die von der Arbeit der philippinischen Fachkräfte aber überzeugt ist.

Leiharbeiter hält Breitmann ebenso wie Frank Müller nicht für eine Lösung, allein schon wegen der hohen Kosten für die vermittelnden Agenturen. Trotzdem muss das DRK Krankenhaus bei kurzfristigen Ausfällen vereinzelt auf diese zurückgreifen. Zu spüren bekommt Astrid Breitmann den Fachkräftemangel in der Pflege bereits seit Jahren. Im Mai 2017 musste deshalb eine Belegstation mit 18 Betten geschlossen werden. Die Patienten, für die dort kein Platz mehr war, wurden dann in der Geriatrie untergebracht. Diese sollte eigentlich schon seit längerer Zeit von 20 auf 30 Betten vergrößert werden, was aber nicht funktionierte, solange sie auch als „Ausweich-Belegstation“ genutzt wurde. Eine der wenigen guten Nachrichten: Das soll nun ein Ende haben, die geplante Vergrößerung soll in den kommenden Wochen vorgenommen werden.

Im Moment kann Astrid Breitmann alle nötigen Stellen besetzen, würde aber trotzdem weitere Pflegefachkräfte einstellen, um ihre Mitarbeiter zu entlasten. „Außerdem haben wir keine Ahnung, wie die Situation in ein paar Monaten aussieht“, sagt die Pflegedirektorin, „vielleicht kommen da schon wieder neue Gesetze“. Die ständige Ungewissheit gehört für sie zu den größten Problemen.

Allgemeine Zeitung, 22. Januar 2020

zurück