NeeDz

Verstehende Diagnostik herausfordernden Verhaltens von Menschen mit Demenz in der Gerontopsychiatrie

Bei Menschen mit einer Demenzerkrankung kann es zu sogenannten herausfordernden Verhaltensweisen kommen, wie z.B. Rufen, Schreien, ruheloses Umherlaufen, Aggressivität oder Apathie. Nicht selten ist dies der Grund für die Aufnahme in die stationäre Gerontopsychiatrie.

Im Rahmen des NeeDz-Projekts mit dem Auftrag der „verstehenden Diagnostik“ suchen wir Antworten auf die Frage: Warum verhält sich ein Mensch auf diese spezielle Weise? Bereits im Projektnamen „NeeDz“ wird deutlich, dass häufig unbefriedigte Bedürfnisse (engl. Needs) die Ursache für herausforderndes Verhalten von Menschen mit Demenz („Dz“) darstellen. Das NeeDz-Projekt wird gefördert durch das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie des Landes Rheinland-Pfalz.

Grundlagen und Rahmenbedingungen

Die „verstehende Diagnostik“ ist ein Ansatz, der einen Zugang zu dem Empfinden des Menschen mit Demenz sucht. Durch die Einnahme der Sichtweise des Menschen mit Demenz können Verhaltensweisen nachvollziehbarer gemacht werden. Die persönliche Umgebung, das soziale Miteinander und die Biografie des Menschen mit Demenz werden in die Betrachtung einbezogen. Ein „Verstehen“ macht die Bedürfnisse des Menschen mit Demenz sichtbarer und ermöglicht das Einleiten passender Maßnahmen (vgl. Bartholomeyczik et al. 2006).

  • Steigerung der Lebensqualität von Menschen mit Demenz und deren Angehörigen
  • Reduktion von herausfordernden Verhaltensweisen der Betroffenen
  • Entlastung der Angehörigen und betreuenden Personen
  • Reduktion der Wiederaufnahmeraten

Die NeeDz-Intervention zielt auf Menschen mit der gesicherten Diagnose einer Demenz (ICD F00-F03 und G30) bei denen ein herausforderndes Verhalten entsprechend der angepassten Klassifizierung nach der Cohen-Mansfield-Skala und deren Ergebnis im Mini-Mental-Status-Test unter 24 liegt.

Ausgeschlossen sind Patienten mit bestimmten chronischen psychischen und Verhaltensstörungen neben der Demenz (nach ICD): F10-19 – psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen; F20-29 – Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen; F60-69 – Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, sofern nicht durch Demenz verursacht; F70-F79 Intelligenzstörung.

Im Rahmen der verstehenden Diagnostik werden mehrere einzelne evidenzbasierte Interventionen sinnvoll miteinander kombiniert, was dem Ansatz des Care Bundles entspricht:

  1. Absetzen bzw. Reduktion von Psychopharmaka
  2. Vertiefte biografische Anamnese
  3. Serial Trial Intervention (STI)
  4. Psychosoziale Einzelaktivierungen
  5. Angehörigensprechstunde
  6. Therapie- und Handlungsempfehlungen

Viele Menschen mit Demenz nehmen psychoaktive Medikamente ein, deren Wirkung, Dosierung oder Anwendungsdauer durchaus fraglich sein kann. Daher wird innerhalb der ersten 3 Tage des NeeDz-Prozesses auf das (1) Absetzen, bzw. die Reduktion bzw. auf eine mindestens 7-tägige sinnvolle Reduktion von Psychopharmaka hingewirkt, auch um erkennen zu können, welches Verhalten gegebenenfalls medikamenteninduziert ist. In Fällen eines ausgeprägten psychischen Leidens oder eines hohen Risikos für Selbst- und Fremdverletzungen des Patienten wird vom Absetzen, bzw. die Reduktion der Psychopharmaka Abstand genommen. Über eine (2) vertiefte biografische Anamnese über den Menschen mit Demenz selbst, dessen Angehörige oder ihn versorgende Pflegekräfte wird das herausfordernde Verhalten vor dem Hintergrund der Biografie betrachtet. Mit diesem Wissen suchen die Pflegekräfte zudem nach unbefriedigten Bedürfnissen als mögliche Auslöser für herausforderndes Verhalten z.B. Schmerzen, Hunger, Durst, Geborgenheit, Identität, Geräuschpegel, Wärmegrad, etc. Diese strukturierte Suche nach Auslösern für herausforderndes Verhalten orientiert sich an dem Ansatz der (3) Serial Trial Intervention (STI). Sofern konkrete Bedürfnisse identifiziert werden konnten, finden gezielte Maßnahmen durch das multiprofessionelle Team, bestehend aus Pflegekräften, Ärzten, Therapeuten sowie dem Sozialdienst, Anwendung. Sollten diese Maßnahmen nicht greifen, werden den Menschen mit Demenz (4) psychosoziale Einzelaktivierungen zuteil, wie z.B. Erinnerungsarbeit, 10-Minuten-Aktivierung, Musiktherapie, Spaziergang, Handmassage und Aromatherapie. Den Löwenanteil der Versorgung von Menschen mit Demenz trägt die familiale und ambulante Pflege bzw. die Tages-pflege, Wohn-Pflege-Gemeinschaften und Altenpflegeheime sowie der Hausarzt. Die Zeit in der Klinik ist im Verhältnis dazu sehr kurz. Vor diesem Hintergrund wird der Transfer der gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse über den Menschen mit Demenz über die Grenzen der Klinik hinweg besonders bedeutend. Angehörige werden im Rahmen der (5) Angehörigensprechstunde im Umgang mit und dem Deuten von herausforderndem Verhalten unter-stützt. Darüber hinaus werden (6) Therapie- und Handlungsempfehlungen formuliert und den nachsorgenden Akteuren zur Verfügung gestellt sowie dem Arztbrief beigelegt.

Das NeeDz-Projekt verfolgt zudem die Handlungslogik der Prävention herausfordernden Verhaltens: Ansätze zur Milieugestaltung, zur Aktivierung von Menschen mit Demenz und zur Angehörigen- oder Ehrenamtseinbindung werden kontinuierlich in die tägliche Arbeit eingebunden. Zudem findet über die Anwendung des Dementia Care Mappings (DCM) ein kontinuierlicher Beobachtungs- und Feedback-Prozess zur stetigen Weiterentwicklung einer personenzentrierten Kultur statt.

NeeDZ bei BORN TO PFLEGE - der Pflegepodcast

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Kooperative Projekte

Reduktion sedierender Psychopharmaka bei Heimbewohnern mit fortgeschrittener Demenz (DECIDE)

Das DECIDE-Projekt verfolgt das Ziel, den Einsatz von nebenwirkungsreichen dämpfenden Psychopharmaka bei dementen Bewohnern von Pflegeheimen und ambulant betreuten Wohngemeinschaften in Bayern zu reduzieren. 

Weitere Informationen: www.decide.med.tum.de