Andernacher Gedenken: Stadt und Klinik setzen ein Zeichen

Foto: Wolfgang Pape

Am 27. Januar, dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, erinnerte die Rhein-Mosel-Fachklinik (RMF) gemeinsam mit der Stadt Andernach an die Patientinnen und Patienten, die während der NS-Zeit von der Klinik in die Tötungsanstalt Hadamar gebracht und dort ermordet wurden.

In diesem Jahr fand der ökumenische Gottesdienst in der Christuskirche statt, bevor Vertreter von Klinik und Stadtverwaltung Kränze am benachbarten Mahnmal in der Innenstadt niederlegten – der Spiegel-Container erinnert seit 1996 an die Opfer der Euthanasie-Verbrechen.

Der evangelische Pfarrer Jürgen Gundalin (Seelsorger der RMF) erinnerte an das, „was sie erleiden mussten“, an die Menschen, die während der NS-Zeit in der Psychiatrie lebten, dort Hilfe suchten, schließlich selektiert und zur Tötung abtransportiert wurden.

Der katholische Pfarrer Stefan Dumont las aus dem Buch Genesis die Geschichte vom Brudermord von Kain an Abel. Sie zeige die „Urangst des Machtmenschen“, sagte er. Abel sei der „Prototyp des Gewaltopfers“, Kain der „Prototyp des Starken, der es nicht erträgt, wenn er nicht der Stärkste ist“. Damit sei es ein „biblisches Lehrstück über die Wurzel der Gewalt“. Dumont mahnte, wir müssen uns bewusst sein, dass wir auch heute mittendrin stecken in einer Spirale aus Hass und Gewalt. Daher müsse ein solcher Gedenktag zwei Aspekte vereinigen: Die Klage über das, was war und gleichzeitig Schwache zu schützen. „Das ist ein echter Auftrag für uns alle – auch heute.“

Erinnerung „wichtiges Fundament für die Zukunft“
Dr. Andreas Konrad, Chefarzt der Allgemeinpsychiatrie und Psychotherapie 2 der RMF, hob den „heuchlerischen Begriff Euthanasie“ für die Taten der Nationalsozialisten hervor, setzt er sich doch aus den altgriechischen Wörtern „eu“ (gut) und „thanatos“ (Tod) zusammen. Und dabei wurden Ärzte und Pfleger während der NS-Diktatur zu Henkern. „Welch ein grauenhafter Gegensatz zu ihrem Auftrag“ als Ärzte und Pfleger. „Ein Aufbegehren gab es nicht.“

Daher sei die Erinnerung „ein wichtiges Fundament für die Zukunft“. Immer wieder müsse an Einzelschicksale erinnert werden, um das Grauen fassbar zu machen. Gleichzeitig zeigen die Geschehnisse die Wichtigkeit des Einsatzes für die bestmögliche Behandlung von Kranken, für Inklusion und die Entstigmatisierung psychisch Kranker.

„Es gibt Menschen, die anfangen, die Dinge umzudrehen“
Andernachs Oberbürgermeister Achim Hütten zitierte Bundeskanzler Scholz, der sagte, man sei es den Opfern schuldig, an sie zu erinnern. Wer waren die Täter? Er zitierte, es seien „keine Bestien“ gewesen und fügte den berühmten Begriff von der „Banalität des Bösen“ von Hannah Arendt an. Und auch die Täter aus der Andernacher Klinik waren wohl normale Menschen „und dennoch zu solchen Taten bereit und in der Lage“.

Der Oberbürgermeister berichtete von Post von Corona-Leugnern, die ihn erreiche. Eindrücke daraus verfestigten sich durch Bilder in den sozialen Netzwerken: Die Gleichsetzung der Corona-Maßnahmen der Regierung mit Totalitarismus und Faschismus. „Es gibt Menschen, die anfangen, die Dinge umzudrehen.“ Wolfgang Pape

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