Eine Konstante in schwierigen Zeiten
Kinder- und Jugendpsychiatrie der Rheinhessen-Fachklinik Alzey behandelt seit 25 Jahren
Die Abteilung der Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik (KJP) in der Rheinhessen-Fachklinik (RFK) Alzey besteht seit nunmehr 25 Jahren. Schon von Anfang an und über all die Jahre hinweg leistet das multiprofessionelle Team aus Ärzten, Psychologen, dem Pflege- und Erziehungsdienst sowie Motologen, Ergotherapeuten und Kliniklehrern einen wichtigen Beitrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen im Alter von 5 bis 18 Jahren in der Region.
Angefangen hat alles im Jahr 1999. Damals eröffnete die Abteilung unter der Leitung des früheren Chefarztes Dr. Andreas Stein. Bereits vier Tage später wurden die ersten Patienten im heutigen Hunsrück-Haus auf dem Gelände der Rheinhessen-Fachklinik aufgenommen. „Ich erinnere mich noch gut, dass wir nur vier Tage Zeit hatten, die Station herzurichten“, erzählt Kirsten Sartorius, heutige pflegerische Abteilungsleiterin der KJP. Der Aufnahmedruck war hoch. Die KJP in Klingenmünster, die bis dato den Versorgungsauftrag für die Region hatte, sei sehr froh gewesen um die Entlastung, berichtet Dr. Stein. Da störte es auch kaum, dass der Umbau des Hauses noch nicht gänzlich abgeschlossen war. „Unten ratterten noch die Baumaschinen, da haben wir oben schon therapiert“, erinnert sich der frühere Chefarzt, der auch heute noch zum KJP-Team zählt. Die Anfänge waren gespickt von Herausforderungen. „Wir hatten jede Menge Pioniergeist“, schwelgt Sartorius in Erinnerungen. Die erste Patientengruppe war schnell mit zehn Kindern und Jugendlichen komplett.
Ein halbes Jahr später wurde die zweite Gruppe im Hunsrück-Haus, wiederum für zehn Patienten gegründet. Von da an war in dem Gebäude eine getrennte Betreuung und Behandlung von Kindern bis 12 Jahren und Jugendlichen möglich. Weitere Kapazitäten für insgesamt 20 Patientinnen und Patienten kamen im Jahr 2001 hinzu, mit der Eröffnung des Hauses Petersberg inklusive einer geschlossenen und einer offenen Station sowie zwei Jugend-Zimmern für die forensische Psychiatrie. Stets waren die Plätze direkt belegt.
Feste Bezugspersonen eingeführt
In den Jahren sind die allgemeingültigen Techniken der Psychotherapie weitestgehend gleichgeblieben. Und doch änderte sich in Alzey der Umgang mit den Kindern und Jugendlichen. Es wurde beispielsweise das selbst ausgearbeitete RokoKom-Konzept offiziell eingeführt, die rollenverteilte kontinuierliche Kommunikation. Dadurch erhielten etwa die Kinder feste Bezugspersonen, die sie während der gesamten Behandlung begleiteten.
Gleichzeitig ist das Therapieangebot stets gewachsen. Heute gibt es zum Beispiel Möglichkeiten zur tiergestützten Therapie, ein Bewegungsbad oder auch erlebnispädagogische Projekte wie den Hochseilgarten, eine Bogenschießanlage und ein Kleinsportfeld. Zu dieser Vielfalt trug ganz erheblich der Förderverein „Strubbelkids“ mit seinem großen Engagement bei.
Erweiterung des Angebots
Seit Anfang 2015 zählt auch die Tagesklinik in Worms mit 20 teilstationären Behandlungsplätzen zum Angebot der KJP. Die Abteilung deckt damit die Versorgung für die Landkreise Alzey-Worms, Mainz-Bingen, Rhein-Hunsrück und Bad Kreuznach sowie für die Städte Worms und Bad Kreuznach ab.
Mehrere Hundert junge Patientinnen und Patienten werden in der KJP heutzutage jährlich in den Häusern Hunsrück und Petersberg und in der Wormser Tagesklinik behandelt. Die Zahlen decken allerdings bei weitem nicht den Bedarf ab. Die Warteliste zur Behandlung in Alzey ist lang – und wird stetig länger.
Die Arbeitsanforderungen in der KJP wandeln sich indes. „Die Patienten haben immer schwerwiegendere Probleme“, sagt Professor Dr. Michael Huss, seit 2020 Chefarzt der KJP in Alzey. „Früher gab es bei uns mehr gewaltbereite Kinder, die ihre Emotionen nach außen getragen haben“, erinnert sich auch Sartorius. Solche Jungen und jungen Männer gibt es immer noch. „Doch wir haben unseren Fokus der Not folgend verändert“, erklärt Huss. Öfter gehe es nun bei der KJP um internalisierende Verhaltensweisen, also solchen, bei denen sich die Gewalt der Patienten oft gegen sich selbst richtet, mit Essstörungen oder Depressionen. Damit einhergehend hat sich auch die Geschlechterzusammensetzung auf den Stationen gewandelt. „Es gibt Phasen, da haben wir die Stationen über Monate nur mit jungen Damen belegt“, berichtet Huss.
Die Ursachen für diese Entwicklung liegen teils in den Erfahrungen aus der Corona-Zeit, die die Jugendlichen machen mussten: Lockdown, Schulschließungen, die Gefahr durch das unbekannte Virus, die Sorge um die Großeltern, die Masken. „Davon hat sich die Gesellschaft noch nicht erholt“, meint Huss. Auch die aktuellen Nachrichten zu Klimawandel, Naturkatastrophen und Kriegen seien eine zunehmende Belastung für die Psyche.
Kapazitäten sind knapp
„Wir bräuchten viel mehr Kapazitäten“, räumt der Chefarzt ein. Doch was ihm Grenzen setze, sei die Verfügbarkeit qualifizierten Personals, nicht nur bei den Ärzten. Auch der Pflege- und Erziehungsdienst muss mit Herausforderungen umgehen. „Eine Stelle hier nachzubesetzen, dauert im Schnitt ein Jahr“, weiß Sartorius. In aller Regel seien die Kollegen aber schneller weg, so dass zeitweise eine Lücke überbrückt werden müsse. „Es ist uns aber bislang in Alzey stets gelungen, alle vier Stationen am Laufen zu halten“, betont die Abteilungsleiterin. Auch Huss unterstreicht: „Ich habe eine unglaubliche Wertschätzung, was hier geleistet wurde über die Jahre, bevor ich das übernehmen durfte.“ Und noch immer erlebe er den Pflege- und Erziehungsdienst als ein sehr stabiles Team. Das sind gute Voraussetzungen für die Zukunft. Denn Huss weiß: „Unsere Arbeit ist jetzt wichtiger denn je." Anke Pipke