Endlich kostenlose Ausbildung

An der Mainzer Ergotherapieschule bekommen die Schüler jetzt sogar 1000 Euro Vergütung

Von Carina Schmidt

MAINZ/ALZEYDer Moment war rührend, als Erik Raehmisch seinen Schülern mitteilen konnte, dass sie bald kein Schulgeld mehr bezahlen müssen und sogar eine monatliche Ausbildungsvergütung von fast 1000 Euro erhalten. Tränen flossen, alle lagen sich in den Armen, erzählt der Leiter der Schule für Ergotherapie in Mainz. Raehmisch weiß, was es bedeutet, die Ausbildung finanzieren zu müssen. „Als ich 1989 angefangen habe, musste ich 600 DM bezahlen.“ Viele seiner aktuellen Schüler haben mehrere Nebenjobs, um über die Runden zu kommen. Viele potenzielle Schüler schreckt die Bezahlhürde ab.

Rheinhessen-Fachklinik betreibt künftig die Schule

Ab 1. Mai zählt dieses Kapitel für die aktuell 75 jungen Menschen, die in der Mombacher Straße 67 zu Ergotherapeuten ausgebildet werden, zur Geschichte. Denn das Landeskrankenhaus (AöR) mit Sitz in Andernach übernimmt die Schule vom Internationalen Bund (IB). Betreiber der Schule wird die zum Landeskrankenhaus gehörende Rheinhessen-Fachklinik in Alzey sein. Auch die 31 Mitarbeiter (darunter 20 Dozenten) werden übernommen.

Wie Landeskrankenhaus-Geschäftsführer Dr. Gerald Gaß erklärt, seien Gesundheitsfachschulen, die einen Träger haben, schuldgeldfrei. „Ähnlich wie bei den Krankenpflegeschulen kann dann mit den Krankenkassen verhandelt werden“, erklärt er. Mit der Gewerkschaft Verdi sei außerdem ein Tarifvertrag abgeschlossen worden. Die Schule in Mainz ist die erste in Rheinland-Pfalz, an der Ergotherapeuten eine kostenlose Ausbildung abschließen können.

Damit führt das Landeskrankenhaus seine Ausbildungsstrategie fort. Erst im Januar hatte es bekannt gegeben, dass am 1. August seine dritte Krankenpflegeschule in Meisenheim eröffnet wird. Seit zwei Jahren zählt die Physiotherapieschule Rhein-Nahe in Bad Kreuznach zum Verbund.

Dass nun mit der Übernahme der Ergotherapieschule das Spektrum der Gesundheitsfachberufe erweitert wird, sei ein wichtiger Schritt, betont Frank Müller, Pflegedirektor der Alzeyer Rheinhessen-Fachklinik: „Es hat für uns viele Vorteile, unser Personal aus dem eigenen Auszubildendenkreis zu entwickeln.“ Die Schüler würden von dieser Kooperation nicht nur finanziell profitieren, betont Wolfgang Dittmann, Geschäftsführer IB Gesellschaft für interdisziplinäre Studien gGmbH (IB GIS): „Mit dem ausbildungsbegleitenden Studium an der IB Hochschule können sie einen zusätzlichen Bachelor-Abschluss erwerben und halten sich alle Wege im Zuge der Akademisierung der Gesundheitsfachberufe offen.“ Dittmann ist überzeugt: „Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses.“

Der Bedarf sei jedenfalls groß, macht Landeskrankenhaus-Geschäftsführer Gaß deutlich. Derzeit würden sich rund zwölf Prozent der Schulabgänger für einen Pflegeberuf entscheiden. „18 Prozent müssten es sein. Deshalb müssen wir die Ausbildungen attraktiver machen.“

Schulleiter Raehmisch und sein Team verfolgen diesen Ansatz noch auf einer anderen Ebene. Seit 2009 verfügt die Mainzer Ergotherapieschule über die sogenannte WFOT-Anerkennung (World Federation of Occupational Therapy). Dabei handelt es sich um ein international anerkanntes ergotherapeutisches Gütekennzeichen. „Mit unserem Abschluss dürfen die Absolventen weltweit arbeiten – ohne Nachprüfung“, berichtet Raehmisch stolz.

Ob die Anzahl der Ausbildungsplätze erhöht wird, sei abhängig von der Bewerbungsanzahl, sagt Raehmisch und versichert: „Wenn wir den Bedarf feststellen, werden wir beim Land einen Antrag stellen.“

BEWERBEN

Die nächste Ausbildung beginnt am 1. Oktober. Voraussetzung ist ein Vorpraktikum. Bei der Vermittlung unterstützt die Schule. Die Hälfte der Ausbildungsplätze ist noch frei . Interessierte können sich an folgende E-Mail-Adresse wenden: ergo-mainz@ib-med-akademie.de

Allgemeine Zeitung, 4. April 2019

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