Gewalt erkennen und ihr begegnen

Symposium der Rheinhessen-Fachklinik Alzey lockte mehr als 100 Teilnehmende ins Tagungszentrum

Für den Vormittag standen Dozent:innen für fünf Workshops zum Themenkomplex „Gewalt“ bereit. Foto: Cornelia Zoller

Weit mehr als 100 Teilnehmende zeugten davon, dass das Alzeyer Symposium auch in seiner 33. Ausgabe ein wichtiger Anlaufpunkt ist, sich fachlich über neueste Erkenntnisse zu informieren und sich mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. Gastgeber Prof. Dr. Michael Huss und seinem Team gelang es mit dem gewählten Thema „Gewalt“ erneut, eine Punktlandung bei der Aktualität hinzulegen - besonders nach den schrecklichen Ereignissen der jüngsten Zeit, bei denen unter anderem in Mannheim ein Polizist im Dienst getötet wurde.

Fünf Workshops zum Thema Gewalt

Am Vormittag standen zunächst fünf Workshops auf dem Programm, die von ausgewiesenen Expert:innen geleitet wurden. In einem Workshop ging es um häusliche Gewalt, im nächsten um Aggressivität und Gewalt bei Menschen mit Demenz. Dabei wurden Hintergründe erläutert und Interventionsmöglichkeiten vermittelt. Es wurden Möglichkeiten und Grenzen des beruflichen Handelns beim Umgang mit sexualisierter Gewalt erörtert. In einem weiteren Workshop wurde gefragt, wie subtile Formen der Gewalt, etwa Ignorieren oder Sarkasmus, im Berufsalltag im Sinne der Gewaltprävention vermieden werden können. Sozialwissenschaftler der Hochschule Koblenz brachten den Teilnehmenden „Ideen für eine Ethik der Anerkennung unterschiedlicher Leiderfahrungen“ nahe.

Gewalt gegen Frauen aus Sicht einer Gynäkologin

Der Nachmittag des Alzeyer Symposiums war für drei Vorträge reserviert. Prof. Dr. Huss kündigte die Vortragenden als „drei Top-Referentinnen“ an, die zu unterschiedlichen Aspekten der Gewalt Erfahrungen mitbrachten.

Dr. Susanne Theis, Oberärztin an der Universitätsmedizin Mainz, referierte zum Thema „Gewalt gegen Frauen – aus Sicht einer Gynäkologin“. Sie beleuchtete Gewaltformen, denen man in der Frauenheilkunde begegnet. So gibt es Frauen, die in der Geburtshilfe traumatisiert wurden – bei ihnen gilt es, unbedingt eine Retraumatisierung zu vermeiden. Eine weitere Gewalterfahrung haben Opfer von Female Genital Mutilation (besser bekannt als „Genitalverstümmelung“). Frauen, die dies erleiden mussten, leiden besonders an Angststörungen, so Dr. Theis. Aufklärung, Betroffene psychisch auffangen und sie medizinisch und psychische Weiterbetreuung können weiterhelfen.

Sexualisierte Gewalt ist von einer großen Dunkelziffer begleitet. Die Referentin nannte trotz der Dunkelziffer bedrückende Zahlen: Jede Stunde werden 14 Frauen Opfer von partnerschaftlicher Gewalt, alle acht Minuten gibt es ein Opfer sexualisierter Gewalt. In Deutschland wird nicht einmal jede 15. Tat angezeigt. Frauen, die vergewaltigt wurden, haben diese Optionen, so die Gynäkologin: Spurensicherung mit oder ohne Anzeigenerstattung sowie eine Untersuchung ohne Spurensicherung. Sie appellierte an Opfer, sich auf jeden Fall nach einer Vergewaltigung medizinisch versorgen zu lassen.

Relevanz psychischer Störungen bei Amoktätern

Prof. Dr. Britta Bannenberg, Juristin und Professorin für Kriminologie an der Universität Gießen, erforschte die Relevanz von psychischen Störungen bei Amoktätern. Aktuell ist ein „rapider Anstieg von Taten“ zu verzeichnen. Sie macht einen „Trigger durch die Medien“ aus, die darüber berichten, egal ob es im eigenen Land geschieht oder international. Täter beschäftigten sich oft über Jahre mit der bevorstehenden Tat, so die Referentin. Paranoide Schizophrenie spielt bei einem Drittel der Täter eine „große Rolle“ – „getriggert werden die trotzdem“ durch hohe mediale Aufmerksamkeit.

Bannenberg stellte in den Raum, dass Taten im Voraus zu erkennen seien und nannte Beispiele von psychiatrischen Auffälligkeiten und Vorgeschichten der Täter. „Man hat nicht erkannt“, die Psychotherapie war „überfordert“, so ihre These. Sie fragte, ob ein besserer Austausch mit Forensikern möglich wäre, um die Gefährlichkeit der Täter vorab zu erkennen. „Amoktaten lassen sich meistens verhindern“, schloss sie ihren Vortrag. „Ich glaube, wir können eine Menge machen.“

Abschließend sprach Dr. Getrud Greif-Hilger, Vorsitzende des Klinischen Ethikkomitees des Landeskrankenhauses, über Zwang und Gewalt in der Psychiatrie aus ethischer Sicht. „Gewalt durch Profis“ im therapeutischen Rahmen sei ein „Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Patienten“ und benötige rechtliche Vorgaben und ethische Begründungen. Wolfgang Pape

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