Mit Demenz zu Hause leben

RFK-Projekt DemStepCare will in Kooperation mit Hausärzten das Leben Betroffener und Angehöriger erleichtern

Von Stefanie Widmann

ALZEY„Patienten, die zu Hause versorgt werden, geht es besser.“ Davon ist Teresa Weber überzeugt. Weber koordiniert das Projekt DemStepCare an der Rheinhessen-Fachklinik (RFK), mit dem genau diese Tatsache bewiesen werden soll. Und weiter: „Wir haben ein Versorgungskonzept und es gibt eine Begleitstudie, die beweisen soll, dass diese Art der Versorgung von Demenzkranken die Versorgungsform schlechthin ist.“ Der Grund ist, dass sie zu Hause stattfindet. DemStepCare hat drei Ziele. Erstens: weniger stationäre Aufenthalte von Patienten, weder in psychiatrischen Kliniken noch in Akutkrankenhäusern. Zweitens: die Lebensqualität der Betroffenen steigern. Drittens: die Belastung der (pflegenden) Angehörigen verringern.

„Wir wissen aus anderen Studien, dass Krankenhausaufenthalte zu einer Verschlechterung bei demenziell Erkrankten führen“, sagt Weber. Um entsprechende Einweisungen zu vermeiden, ist vor allem der Hausarzt gefragt, der für den Patienten Dreh- und Angelpunkt bleibt und in der Studie eine entscheidende Rolle spielt. Er soll Demenz besser diagnostizieren können – möglichst ohne erst an einen Facharzt zu überweisen. „Unser Ziel ist auch die Schulung von Ärzten mit Blick auf Demenz-Patienten“, sagt Case-Managerin Mirjam Weissner. Oft würden heute Demenz-Patienten wegen ganz anderer Symptome eingewiesen, etwa wegen Bluthochdruck oder weil zu Hause die Situation eskaliert.

Aber auch der Patient bekommt eine besondere Form der Versorgung. Etwa durch den Case-Manager, der beispielsweise berät, ob ein Pflegedienst nötig ist, welche Hilfsmittel unterstützen können, welche Finanzierungshilfen möglich sind oder ob – im Fall einer Krise – eine Pflegeexpertin erforderlich ist.

„Ein Krankenhausaufenthalt ist bei einer demenziellen Erkrankung immer eine Stresssituation“, erläutert Weissner. Eine fremde Umgebung, viele fremde Menschen, das wirkt sich aus. Zu Hause in der vertrauten Umgebung sei der Betroffene besser aufgehoben. Zumal sich auch Akutkrankenhäuser häufig mit dementen Patienten überfordert fühlten, wie Weber anmerkt. In manchen Krankenhäusern gebe es bereits Demenzbegleiter, aber eben in längst noch nicht allen. Es wäre also für alle ein Gewinn, solche Aufenthalte zu vermeiden. Gestartet ist das Programm am 1. April. Erste Vorbereitungen laufen bereits seit 2018. Das Versorgungsprojekt war über den gemeinsamen Bundesausschuss angestoßen worden. „Wir haben Mitarbeiter eingestellt beziehungsweise von anderen Abteilungen der RFK in das Projekt geholt – Pflegeexperten, Case-Manager, Mitarbeiter aus dem Sozialdienst“, sagt Weber.

Ein halbes Jahr lief die Vorbereitung, seit 1. Oktober ist das Team in Aktion. Dabei spielt der Hausarzt die entscheidende Rolle, er muss sich einschreiben. Rund 300 Hausärzte gibt es in dem Gebiet der Kreise Alzey-Worms, Bingen-Ingelheim und Bad Kreuznach. 120 sollen an dem Projekt teilnehmen, derzeit sind 40 eingeschrieben. Über den Hausärzteverband, in Infoveranstaltungen und auf anderen Wegen machte die RFK auf das Projekt aufmerksam, überall hat die RFK über DemStepCare informiert. Mit einer Interventionsgruppe auf der einen und einer Kontrollgruppe, in der so weitergearbeitet wird wie bisher, auf der anderen Seite sollen die Vorteile von DemStepCare bewiesen werden. In jeder Gruppe sind Hausärzte, die sich intensiv und andere, die sich bisher weniger mit dem Thema beschäftigt haben. Bei der Interventionsgruppe nehmen die Case-Manager Kontakt mit dem Arzt und dem Betroffenen auf und schauen, in welchem Krankheitsstadium der Patient ist. Eingeteilt wird wie bei der Ampel: die „grünen“ Patienten sind stabil, die „gelben“ bekommen einen Case-Manager zur Begleitung von Patient und Angehörigen und bei den „roten“ tritt der Krisenmanager in Aktion. Die Projektbegleiter bieten auch Gesprächsgruppen an für Angehörige. Dabei soll es in verschiedenen Modulen um den Umgang mit Demenzkranken gehen, um herausforderndes Verhalten der Kranken, um die Probleme des Tag-Nacht-Rhythmus’. „Die Angehörigen sollen nicht das Gefühl haben, dass sie allein mit ihren Problemen sind“, sagt Weissner.

Noch können Hausärzte einsteigen. Es lohnt sich, sind die Experten überzeugt. Neben der RFK sind unter anderem auch Krankenkassen, das Land und diverse Ärzteverbände mit im Boot. „Wir sollen die Weichen stellen, dass, wenn das Projekt erfolgreich ist, es zur Regelversorgung wird. Wir hoffen, dass die Ergebnisse unsere Hypothese bestätigen“, sagt Weber. Sie hofft auch auf das Interesse der Patienten und ihrer Angehörigen, die den Hausarzt darauf ansprechen können. Ziel ist auch, auf nicht medikamentöse Weise erfolgreich zu sein.

Allgemeine Zeitung, 10. Dezember 2019

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