RFK fordert mehr Personal

Mitarbeiter sammeln mit Verdi Unterschriften für angemessene Mindeststandards – dafür sollen die Krankenkassen mehr zahlen

Von Pascal Affelder

ALZEY 1990, der Alltag in der stationären Psychiatrie: Patienten werden durch starke Medikamente oder Fixierung zwangsbehandelt. Zehn Kranke liegen in einem Bettsaal, wo sie von einer einzigen Ärztin betreut werden – heute unvorstellbar. Aus diesem Jahr stammt auch die Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV). Diese regelt im Wesentlichen, wie viele Mitarbeiter in stationären Psychiatrien benötigt werden, und wer die Kosten dafür trägt. Und die ist noch heute gültig. Um eine faire neue Regelung anzustoßen, startete die Gewerkschaft Verdi eine Unterschriftenaktion an der Rheinhessen-Fachklinik (RFK) in Alzey.

„Seit 1990 wurden die Patientenrechte zum Glück immer weiter entwickelt, wodurch aber auch immer mehr Personal gebraucht wird“, sagt Michael Kohn, Verdi-Vertreter in der RFK. Dafür sammelten die Gewerkschaftsmitglieder in der RFK rund 600 Unterschriften, die sie am Mittwoch an Dr. Gerald Gaß übergaben. Der ist nicht nur Geschäftsführer des Landeskrankenhauses, sondern auch Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, die derzeit mit den Krankenkassen im Gemeinsamen Bundesausschuss über eine neue Personalregelung für die stationäre Psychiatrie verhandelt.

Zwar wurde die bestehende Regelung von vor knapp 30 Jahren zwischenzeitlich abgeändert – zeitgemäß ist sie aus Verdi-Sicht aber trotzdem nicht. „Unserer Meinung nach ist 20 Prozent mehr Personal erforderlich“, sagt Kohn.

Immerhin sei Beziehungsarbeit in der Psychiatrie das Wichtigste. Dafür brauche es aber entsprechend viel Zeit – und eben ausreichend qualifiziertes Personal mit der nötigen Ausstattung. Die Kosten dafür sollen die Krankenkassen zu 100 Prozent übernehmen, derzeit reichten die Zuschüsse einfach nicht.

Kohn befürchtet, dass „die unterschiedlichen Interessen der Verhandlungsparteien zu einer Regelung führen, die am Bedarf vorbeigeht“. Vereinfacht: Die Krankenkassen wollen möglichst wenig Geld für Personal zur Verfügung stellen und die Verwendung des Geldes möglichst präzise kontrollieren. Die Krankenhäuser wollen das Gegenteil. Das gilt besonders für jene mit privaten Trägern, die das Geld laut Kohn auch gerne mal für ganz andere Interessen nutzten.

Als Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft muss Gerald Gaß aber eben auch deren Position in den laufenden Verhandlungen vertreten. Trotzdem sagt er, zwischen Krankenhausgesellschaft und Verdi gäbe es „inhaltlich kein wirkliches Gegeneinander“. Eine Nachweispflicht über die Kosten halte auch er für sinnvoll. Wichtig sei dabei nur, dass „die innerbetriebliche Flexibilität erhalten“ bleibe. Sprich: Auf welcher Station das meiste Personal gebraucht wird, soll das Krankenhaus selbst entscheiden können. Eine andere Auffassung als Verdi habe man höchstens in Detailfragen.

Der aktuelle Stand der Verhandlungen im Bundesausschuss ist nicht bekannt – ganz zum Unmut von Grit Genster. Die Verdi-Bereichsleiterin für Gesundheitspolitik war selbst bei der Übergabe der Unterschriften in Alzey vor Ort. „Die Verhandlungen finden in einer Blackbox statt“, sagt Genster. Verdi werde nicht beteiligt, der Vorgang sei intransparent. Fest steht: Eine neue Regelung soll bis Ende des Jahres gefunden werden. Mit der Aktion machten die RFK-Mitarbeiter immerhin schon mal deutlich, worauf es ihnen ankommt.

Allgemeine Zeitung, 4. April 2019

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