Chefärztin plaudert aus dem Nähkästchen
Dr. Ulrike von der Osten-Sacken in der Sobernheimer Runde
Von unserem Reporter Enrico Angelucci
BAD SOBERNHEIM Die Neurologin und Chefärztin der Glantalklinik in Meisenheim, Dr. Ulrike von der Osten-Sacken, war am Mittwochabend bei Gerhard Engbarth in seiner Sobernheimer Runde zu Gast. Rund 50 Menschen verfolgten das Gespräch in der Africa-Lounge der Seniorenresidenz an der Königsberger Straße. Eine afrikanische Weisheit, die Engbarth gern zitiert, besagt: „Die Heilung beginnt mit der Anwesenheit des Arztes.” Da er selbst bereits Patient bei der Chefärztin gewesen sei, könne er das aus erster Hand über seinen Gast auch sagen.
Ärztin sieht sich nur als Beraterin
Als Ulrike von der Osten-Sacken als junge Erwachsene bei einem Nebenjob im Krankenhaus eine Reanimation und den Umgang der Ärzte mit den Patienten mit erlebte, fiel schlagartig die Berufswahl. Bei der Arbeit in einer Intensivstation veränderte der Anblick von Menschen an Beatmungsgeräten und deren Angehörigen daneben ihr Berufsbild. „Man sieht die Menschen in dieser Situation nicht so, wie sie eigentlich sind. Ich dachte: Wenn ich ein so unangenehmes Gefühl habe bei diesem Anblick, wie geht es erst den Angehörigen?” Aus dieser Erfahrung heraus bereite sie die Familie der Intensivstationpatienten immer bestmöglich vor. „Sie sollen nicht die gleiche Angst wie ich empfinden.”
Der Behandlung der Multiplen Sklerose (Erkrankung des zentralen Nervensystems) hat sie sich mit großem Interesse verschrieben und hat hierfür im Meisenheimer Krankenhaus eine Tagesklinik eingerichtet. Auch die Komplexbehandlung von Parkinson- und Schmerzpatienten steht im Fokus von der Osten-Sackens. Bei der Behandlung geht es der Neurologin nicht darum, ihren Patienten etwas aufzuzwingen. „Ich berate sie. Aber ich bin nicht ihr Chef. Das Miteinander muss auf gleicher Ebene geschehen.”
Mit einer multimodalen Schmerztherapie wollen die Neurologin und ihre Kollegen die chronischen Schmerzen ihrer Patienten lindern. „Stellen Sie sich vor, Sie hatten eine Reißzwecke im Finger. Und obwohl diese nicht mehr da ist, spüren Sie den Schmerz noch, weil sich die neurologischen Schmerzbahnen verändert haben”, schilderte Engbarths Gast. Eine Zuhörerin unterstrich, dass sie sich als chronische Schmerzpatientin noch nirgends so gut aufgehoben gefühlt habe, wie in der Glantalklinik.
Kritik am Gesundheitssystem
Das deutsche Gesundheitssystem hält die Chefärztin für „verbesserungswürdig”. Ein niedergelassener Arzt müsse eine bestimmte Anzahl an Patienten – für die er pro Person eine Pauschale erhält – durchschleusen, damit seine Praxis wirtschaftlich überlebt. Darunter leide die Zeit, die sich der Arzt für den Einzelnen nehmen kann. „Er versucht also, die Patienten nach der Behandlung ins nächste Quartal zu schieben.” Arbeitet ein niedergelassener Arzt darüber hinaus, wird er nicht bezahlt. Die in der Glantalklinik angewandte Komplexbehandlung mache es möglich, Patienten auch länger zu behandeln und stärker zu differenzieren, wer wie lange im Krankenhaus bleibt.
Von Engbarth auf eine lustige Geschichte ihres Lebens angesprochen, erinnerte sich die Ärztin an einen Aufenthalt in Australien. Mit Freunden fuhr sie im Boot auf einen See hinaus. Gegenseitig stießen sie sich spaßeshalber ins Wasser. „Als ich wieder an die Oberfläche kam, sah ich neben mir ein Krokodil”, beschrieb Ulrike von der Osten-Sacken. Sie sei in Panik geraten und schreiend ins Boot zurückgehechtet. Einer ihrer Bekannten lachte und beruhigte sie: „Das ist ein Süßwasserkrokodil. Die sind Vegetarier.”
Oeffentlicher Anzeiger, 12. August 2019