„Don't stand so close to me…" – Beziehungsgestaltung im Maßregelvollzug

Zwangsmaßnahmen und professionelle Beziehungsgestaltung sind wichtige Themen, die im Fokus der Forensiktage 2024 „Don't stand so close to me…" – Beziehungsgestaltung im Maßregelvollzug stehen.

Welchen Einfluss haben die in den Bundesländern unterschiedlichen Gesetzesgrundlagen für Zwangsmaßnahmen auf die Behandlung der Patient:innen? Wie werden Zwangsmaßnahmen, ausgeführt durch nahe und vertraute Bezugspersonen, von den Betroffenen erlebt? Was können wir tun, um bestenfalls mit einer guten und professionellen Beziehungsgestaltung Zwangsmaßnahmen vorzubeugen?

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Veranstaltungsinformationen

Montag, 4. November, 8.30 - 16 Uhr
Dienstag, 5. November, 9.15 - 16.15 Uhr

Konferenzzentrum der Rhein-Mosel-Fachklinik Andernach, Vulkanstraße 58, 56626 Andernach

Teilnahmebeitrag inkl. Tagesverpflegung: 
199 EUR (zzgl. MwSt.) für beide Tage
104 EUR (zzgl. MwSt.) für einen Tag
Teilnahme Abendveranstaltung:
35 EUR exkl. Getränke (inkl. MwSt.)

Wege der Beziehungsgestaltung

Die Schematherapie kann hier wichtige Ansätze aufzeigen. Interkulturelle Kompetenz kann Konflikte vermeiden und die Behandlung unserer Patient:innen verbessern. Doch wo ziehen wir die Grenze zwischen Rücksicht und Respekt kultureller Hintergründe einerseits, sowie der Erwartung von Integration andererseits? Auch ein bedachter und reflektierter Umgang mit Sexualität im Maßregelvollzug stellt einen wichtigen Baustein in der Beziehungsgestaltung dar. Ebenso stellt sich die Frage, wie es immer wieder zu (sexuellen) Grenzüberschreitungen weiblicher Mitarbeitender gegenüber Patienten kommt und was die Einrichtung tun kann, um sowohl Mitarbeiterin, als auch Patient davor zu schützen.

Abschließend werfen wir einen Blick in die Zukunft. Die Künstliche Intelligenz ist im Aufwind und es zeichnet sich ab, dass sie auch im Bereich der forensischen Prognosebeurteilungen in unterschiedlichem Maße zum Einsatz kommen könnte – welche Chancen und Risiken sind damit verbunden? Ebenso ist die Vorhersage von Entweichungs- und Lockerungsmissbrauchstendenzen ein wichtiges Thema. Im Rahmen der Kooperation der Klinik Nette-Gut mit der Universität Bonn wird ein in der Klinik entwickeltes Lockerungsprognoseinstrument, die LIVELT, evaluiert.

Auch die Kultur und das leibliche Wohl sollen natürlich nicht zu kurz kommen – am Montag steigen wir in die beeindruckenden Keller des berühmten Deinhard-Museums ab und verköstigen den dort hergestellten Sekt, bevor wir den Abend mit regionalen Spezialitäten in der „Wacht am Rhein“ ausklingen lassen.

Wir freuen uns sehr, Sie bei unseren 18. Forensiktagen am 4. und 5. November im Konferenzzentrum der Rhein-Mosel-Akademie in Andernach begrüßen zu dürfen.

Programm 4. November

8.30 Uhr - Check-in

9 Uhr

  • Begrüßung - Dr. Alexander Wilhelm, Geschäftsführer Landeskrankenhaus (AöR) & Dr. Frank Goldbeck, Ärztlicher Direktor und Einrichtungsleiter der Klinik Nette-Gut
  • Grußwort - Nicole Steingaß, Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit RLP
  • Musikalische Begleitung - Patientenband der Klinik Nette-Gut
  • Moderation - Sonja Dette

Psychisch kranke Patient:innen im Maßregelvollzug dürfen trotz des staatlichen Auftrags zur Besserung und Sicherung nicht ohne Weiteres gegen ihren Willen behandelt werden. Dieser Vortrag setzt sich inhaltlich mit der Möglichkeit der Zwangsmedikation als Behandlungsmaßnahme auseinander. Diese ist als massiver Grundrechtseingriff nicht unumstritten. Es besteht ein großes Spannungsfeld zwischen der Selbstbestimmung der Patient:innen und ihrem ‚Recht auf Krankheit‘ einerseits sowie dem Ziel der Forensik auf Besserung und Sicherung andererseits, das insbesondere bei fremdaggressiven Patient:innen unmediziert oft schwer umsetzbar erscheint. Der Vortrag gibt einen Überblick, welche Möglichkeiten in unterschiedlichen Bundesländern vom jeweiligen Gesetzgeber eingerichtet und gestaltet wurden und wie die höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Zwangsmaßnahme steht.

 

Catherine Hübl studierte an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Rechtswissenschaften. Ihr 2. Staatsexamen legte sie 2012 ab. Bis Dezember 2023 hatte sie als Referatsleiterin im Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung Rheinland-Pfalz u. a. die Fachaufsicht über den Maßregelvollzug inne. Seitdem ist sie als Referentin für Rechtsangelegenheiten im Landeskrankenhaus (AöR) für die Einrichtungen und die Themen des Maßregelvollzugs sowie PsychKHG zuständig.

Als Oberärztin der hochgesicherten Aufnahme- und Akutstationen der Klinik Nette-Gut ist Dr. Valenka Dorsch langjährig mit den speziellen Herausforderungen der Forensischen Psychiatrie vertraut. Dies umfasst auch die Beantragung und Anwendung der nach Maßregelvollzugsgesetz Rheinland-Pfalz (MVollzG RLP) möglichen Zwangsmaßnahmen – von der Absonderung aus der Patient:innengemeinschaft bis hin zur Zwangsbehandlung. In ihrem Beitrag stellt Valenka Dorsch anhand einer Kasuistik einer im Maßregelvollzug untergebrachten Person den spannenden Fall dar, wie durch die im Saarland gesetzlich nicht mögliche, in Rheinland-Pfalz jedoch zulässige Anwendung der Zwangsmedikation gegen den erklärten Willen der Betroffenen, die Reduktion anderer Zwangsmaßnahmen und letztlich erfolgreiche Schritte auf dem Wege der Resozialisierung erreicht werden konnten.

Im Vertiefungsseminar wird sie gemeinsam mit der Juristin Catherine Hübl aus den Erfahrungen mit Zwangsmaßnahmen, insbesondere Zwangsbehandlungen, in der forensischen Psychiatrie in der Klinik Nette-Gut anhand von weiteren Fallbeispielen berichten, das Spannungsfeld zwischen juristischen Grundlagen und ärztlichem Berufsverständnis beleuchten und zu kritischer Diskussion einladen.

 

Dr. Valenka Dorsch ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Schwerpunktbezeichnung „Forensische Psychiatrie". Nach dem Studium der Humanmedizin an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und ihrer Promotion absolvierte sie ihre klinische Ausbildung in der Psychiatrie an den Unikliniken in Halle/Saale und Köln. Ab 2015 war sie als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie in der Abteilung für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie II der LVR-Klinik Köln an den Standorten Porz und Merheim tätig, bevor sie 2017 ihre Tätigkeit als Oberärztin der Psychomedizinischen Abteilung in der Klinik Nette-Gut aufnahm. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der Gynäkopsychiatrie sowie auf forensischen Fragestellungen in Bezug auf Frauen.

Zwangsmaßnahmen sind die Ultima Ratio, gehören jedoch zum Alltag in forensischen Einrichtungen dazu. Absonderungen finden hier am häufigsten Anwendung und sind die am längsten andauernde Zwangsmaßnahme. Zeitgleich ist die Gestaltung einer tragfähigen Beziehung zu den untergebrachten Personen eine der Hauptaufgaben der forensisch-psychiatrisch Pflegenden. Der Vortrag wird die Betroffenenperspektive auf die Auswirkungen von Zwang auf die professionelle Beziehung fokussieren. Im Vertiefungsseminar werden, auf den Vortrag aufbauend, alternative Maßnahmen zur Absonderung anhand von Fallbeispielen gemeinsam diskutiert und erarbeitet. Die Anwendung von Zwangsmaßnahmen stellt auch für die Pflegenden eine Belastung dar – dieser Aspekt soll im Vertiefungsseminar ebenfalls aufgegriffen werden.

 

Carina Mallmann ist Gesundheits- und Fachkrankenpflegerin, Pflege (B. A.). Sie ist seit 2010 in der Klinik Nette-Gut für Forensische Psychiatrie beschäftigt, in der sie seit August 2022 als Pflegefachliche Leitung einer geschützten Station tätig ist.

Eine empathische Haltung gilt als wesentlich für die Qualität der therapeutischen Beziehung. Allerdings erfordert das häufig ablehnende, manipulative oder dominierende Beziehungsverhalten forensischer Patient:innen eine Balance zwischen empathischer Zuwendung einerseits und notwendiger Konfrontation bzw. Begrenzung andererseits.

Im Vortrag wird erläutert, wie das schematherapeutische Konzept der Beziehungsgestaltung im Sinne des „limited reparenting" durch modusspezifische Interventionen Behandler:innen unterstützen kann, herausforderndes Patient:innenverhalten im Sinne korrigierender (emotionaler) Erfahrungen therapeutisch nutzbar zu machen. Die vorgestellten Interventionen werden im anschließenden Seminar vertieft und ihre Anwendung in prototypischen Situationen erarbeitet.

 

Dr. Wilhelm Prange ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und arbeitet als Oberarzt in der Abteilung für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie I der LVR-Klinik Köln. Er ist zertifizierter Therapeut, Trainer und Supervisor für Schematherapie (ISST). Seine Arbeitsschwerpunkte sind Schematherapie mit Cluster-B-Persönlichkeitsstörungen, Komorbidität mit Suchterkrankung, aggressives Verhalten, Sexualstraftäter, Gruppenschematherapie sowie schematherapeutische Teamsupervision.

 

Gutachtenseminar - Teil 1

Liba Ivankova und Ralf Sternitzke

Sie interessieren sich für gutachterliche Tätigkeit? In diesem zweitägigen Seminar können Sie einen ersten Einblick in den Themenbereich erhalten. Welche Fragestellungen können als Sachverständige:r im Zivil- und Strafrecht auf Sie zukommen, in welchen rechtlichen Rahmenbedingungen bewegen Sie sich als Gutachter:in, was ist Ihre „Rolle" und was müssen Sie dafür an Know-how mitbringen? Auch Rollenkonflikte und herausfordernde Situationen gehören zum Sachverständigenalltag dazu – wie können Sie damit umgehen? In diesem Seminar erhalten Sie Antworten auf diese Fragen und setzen sich mit den Grundlagen der Schuldfähigkeitsbegutachtung gem. §§ 20, 21 StGB auseinander. Sie erhalten eine Übersicht über die abzuarbeitenden Beurteilungsschritte und erproben diese an einem konkreten Fallbeispiel. Wir arbeiten in kollegialer Runde und freuen uns auf den Austausch mit Ihnen.

Wichtiger Hinweis: Das Seminar richtet sich an Psychologinnen / Psychologen und Ärztinnen / Ärzte, die einen ersten Einblick in die gutachterliche Tätigkeit im Strafrecht erhalten möchten. Die Teilnehmendenzahl dieses Seminars ist auf 20 Personen limitiert. Teilnehmende, die das Gutachtenseminar buchen, sind automatisch für die Seminarteilnahme an beiden Tagen angemeldet. Eine Teilnahme an nur einem der Seminartage ist nicht möglich.

 

Liba Ivankova ist Dipl.-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin und Fachpsychologin für Rechtspsychologie (BDP/DGPs). Nach 10-jähriger psychotherapeutischen Tätigkeit in der privaten Suchtklinik Bad Tönisstein für erwachsene alkohol- und medikamentenabhängige Patient:innen, nahm sie 1999 ihre Arbeit in der Klinik Nette-Gut für Forensische Psychiatrie auf. Zunächst arbeitete sie in der Patientenversorgung, bevor sie in das Gutachteninstitut der Klinik Nette-Gut wechselte – hier ist sie seit nunmehr 14 Jahren als psychologische Sachverständige im Strafrecht tätig.

 

Ralf Sternitzke ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Schwerpunktbezeichnung „Forensische Psychiatrie" und Suchtmedizin. Er studierte in St. Petersburg und Leipzig Humanmedizin und war zunächst in der Chirurgie und der Allgemeinpsychiatrie tätig. Von 2021–2023 war er Chefarzt in der forensischen Abteilung für nach § 63 StGB Untergebrachte des Fachklinikums Stadtroda. 2023 wechselte er als Chefarzt einer Abteilung gem. § 64 StGB Untergebrachter und stellvertretender Ärztlicher Direktor in die Klinik Nette-Gut für Forensische Psychiatrie nach Weißenthurm. Seit 2004 ist er darüber hinaus als forensischer Sachverständiger im Strafrecht tätig.

AUSGEBUCHT - Seminar 1 - Zwangsmaßnahmen aus Betroffenen- und Pflegendensicht

Carina Mallmann

Aufbauend auf dem Vortrag geht das Vertiefungsseminar auch auf die Auswirkungen von Zwangsmaßnahmen auf die Pflegenden ein – für diese stellt ihre Anwendung ebenfalls eine Belastung dar.  Denn die Anwendung von Zwangsmaßnahmen stellt auch für die Pflegenden eine Belastung dar. Hinweis: Dieses Seminar ist bereits ausgebucht.

 

AUSGEBUCHT - Seminar 2 - Love is not enough" - Beziehungsgestaltung aus schematherapeutischer Sicht

Dr. Wilhelm Prange

Die im Vortrag vorgestellten Interventionen werden im Seminar vertieft und ihre Anwendung in prototypischen Situationen erarbeitet. Hinweis: Dieses Seminar ist bereits ausgebucht.

 

Seminar 3 - Zwangsmaßnahmen im Spannungsfeld zwischen juristischen Grundlagen und ärztlichem Berufsverständnis

Dr. Valenka Dorsch und Catherine Hübl

Im Vertiefungsseminar wird anhand von Fallbeispielen aus der Klinik Nette-Gut das Spannungsfeld zwischen juristischen Grundlagen und ärztlichem Berufsverständnis beleuchtet und kritisch diskutiert.

AUSGEBUCHT - Seminaralternative - Führung

Für Tagungsteilnehmende, die anstelle eines Seminars lieber die Klinik Nette-Gut in Augenschein nehmen wollen, bieten wir eine Führung über das Klinikgelände an. Diese Führung ist aufgrund organisatorischer Gegebenheiten auf 30 Teilnehmende beschränkt. Bitte beachten: Die Führung ist ausgebucht.

Abendveranstaltung (ausgebucht)

Besuch des Koblenzer Wein- und Sektmuseums im Stammhaus der ehemaligen Sektkellerei Deinhard

Mehr Infos zum Museum: https://sekt-museum.de/ 

Im Preis für die Abendveranstaltung sind Busfahrt, Kellerführung, Sektverkostung und Abendessen enthalten, Getränke müssen vor Ort selber gezahlt werden.

Wichtiger Hinweis: Die Abendveranstaltung ist bereits ausgebucht.

Mehr Infos zum Restaurant: https://www.wachtamrhein-restaurant.de/

Wichtiger Hinweis: Die Abendveranstaltung ist bereits ausgebucht.

Programm 5. November

  • Begrüßung - Andreas Emmerich, Pflegedirektor der Klinik Nette-Gut
  • Musikalische Begleitung - Patientenband der Klinik Nette-Gut
  • Moderation - Sonja Dette

In der Fachzeitschrift „Recht & Psychiatrie" veröffentlichte Dr. Norbert Schalast 2008 einen Artikel zum Thema „Mitarbeiterinnen im Maßregelvollzug und das Problem von Grenzüberschreitungen", auf dessen Inhalt der Vortrag basiert. Dabei geht es nicht darum, berufliches Fehlverhalten zu rügen. Vielmehr geht es darum, die Bedingungen für unprofessionelle emotionale Verstrickungen und intime Grenzüberschreitungen zu verstehen. Es wird unterschieden zwischen Risikofaktoren, die dem stationären Setting immanent sind und solchen, die eher aufseiten der Patienten einerseits und gefährdeter Mitarbeiterinnen andererseits zu vermuten sind.

Im Vertiefungsseminar soll u. a. überlegt werden, unter welchen Rahmenbedingungen – zum Beispiel Angeboten beruflicher Selbsterfahrung und Supervision – eine wirksame Auseinandersetzung mit der Problematik denkbar ist. Hinweis: Das Vertiefungsseminar (13 Uhr) ist ausgebucht.

 

Dr. Norbert Schalast studierte von 1972 bis 1978 Psychologie an der Philipps-Universität Marburg, bevor er 1979 seine Tätigkeit als Psychologe in der LVR-Klinik Viersen, Abteilung für forensische Psychiatrie, aufnahm. Berufsbegleitend absolvierte er die psychotherapeutische Weiterbildung mit den Schwerpunkten Gesprächstherapie, Psychodrama und Gruppenanalyse. Von 1992 bis 2022 war Norbert Schalast am Institut für forensische Psychiatrie des Uni-Klinikums Essen tätig. Dabei führte er einer Reihe von Forschungsprojekten durch, u. ‍a. zur Arbeitssituation im Maßregelvollzug und zum Ertrag der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.

Die Qualität der therapeutischen Beziehung ist ein bedeutender Prozessfaktor in der Psychiatrie und Psychotherapie und spielt eine wichtige Rolle in der Behandlungsadhärenz, Symptomreduktion und Medikamentenadhärenz, für das Outcome der Behandlung und die Lebensqualität. Günstige Therapieergebnisse scheinen aus Interventionen zu resultieren, die starke Bindungsbeziehungen fördern und Mitgefühl, Wärme und Intimität vermitteln. Gleichwohl sind das Spannungsfeld, das aus der angeordneten Behandlung entsteht sowie die duale Rolle von Behandelnden im forensischen Kontext zu beachten.

Kann man allenfalls die „richtige" Beziehungsqualität messen? Und was könnte man daraus ableiten?

In dem Vortrag sollen die genannten Themen angerissen werden. Im Workshop besteht die Möglichkeit, die verschiedenen Aspekte weiter zu vertiefen.

 

Dr. Henning Hachtel ist Chefarzt und stellvertretender Klinikdirektor der Klinik für Forensik der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel mit fortgeschrittenen Kenntnissen in der Behandlung und Bewertung von Gewalt- und Sexualstraftätern. Er ist als Gerichtsgutachter in der Deutschschweiz tätig und hat mehr als zehn Jahre Erfahrung im Personalmanagement und der Organisation forensischer Abteilungen und Ambulanzen.

Als Visiting Research Fellow absolvierte er einen einjährigen Aufenthalt am Centre for Forensic Behavioural Science der Swinburne University, Melbourne und ist seither Adjunct Research Fellow. Später habilitierte er in der Forensischen Psychiatrie zum Thema Risikobeurteilung. Er ist Mitautor des Handbuchs „Strafrecht-Psychiatrie-Psychologie".

Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt auf der Risikobeurteilung, Beeinflussung und den Auswirkungen forensisch relevanter Verhaltensweisen sowie der therapeutischen Beziehung in angeordneten Therapien. Er ist im Vorstand der Schweizerischen Gesellschaft für forensische Psychiatrie, Visitationsleiter für forensische Psychiatrie des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung und an der Ausarbeitung mehrerer Standards beteiligt.

Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie – eine Erfahrenen-Perspektive

Monika Weisbauer berichtet, was es heißt, Zwangsmaßnahmen zu erfahren. Seit über 30 Jahren lebt sie mit bipolaren affektiven Störungen und hat mehrere psychiatrische Klinikaufenthalte erlebt. Die Ausprägung einzelner Krankheitsepisoden war teilweise so stark, dass Eigen- und Fremdgefährdung nicht ausgeschlossen werden konnten.

Unterbringung auf einer geschützten Station, Fixierung und Zwangsmedikation, welche (Aus-‍)Wirkungen haben sie? Können die Maßnahmen verhindert werden und wenn sie zur Anwendung kommen, wie können sie erträglicher gestaltet werden?

Monika Weisbauer hat erlebt, wie verloren geglaubtes Vertrauen mühsam wieder aufgebaut wurde. Das Vertrauen, welches für gelungene Beziehungsarbeit von Bedeutung und für den Erfolg von Therapien unabdingbar ist.

 

Monika Weisbauer ist seit 1991 psychiatrieerfahren. Als Genesungsbegleiterin gibt sie ihr Wissen rund um den Umgang mit seelischen Krisen und deren Bewältigung weiter. Sie ist aktives Mitglied in der DGBS e.V. und Administratorin einer Online-Selbsthilfegruppe „Bipolare Störungen", in der sich über 3000 User:innen regelmäßig austauschen. Gemeinsam mit ihrem Administrationsteam erhielt sie 2021 den Aretäus-Preis der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen. Der gelebte Trialog liegt ihr am Herzen. Ihr Wunsch ist es, dass Menschen, die professionell in der Psychiatrie tätig sind, Angehörige und Betroffene es schaffen, sich ohne Machtgefälle zu begegnen. Als Referentin aus Erfahrung und in ihrer Arbeit bei einem Sozialpsychiatrischen Dienst weiß sie, wie wichtig es ist, den Menschen mit seinen Ressourcen zu sehen und ihn nicht auf die Erkrankung zu reduzieren. Sie selbst hatte das Glück auf Unterstützende zu treffen, die die gesunden Anteile förderten und führt heute ein Leben mit einem hohen Maß an Lebensqualität. Monika Weisbauer lebt in Dortmund, ist verheiratet und Mutter eines erwachsenen Sohnes.

Interkulturelle Kompetenz in der Beziehungsgestaltung im Maßregelvollzug

Flucht und Migration bestimmen das gesellschaftliche Leben und damit nimmt auch die kulturelle Diversität im Berufsalltag zu. Dies stellt viele Mitarbeiter:innen in der Forensik vor neue Herausforderungen. Gerade im sensiblen Arbeitsfeld des Maßregelvollzugs gilt es „kulturelle" Themen zu erkennen, um eine bestmögliche Beziehungsgestaltung sowie eine angemessene Behandlung der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten, sich selbst zu entlasten. Damit ist Interkulturelle Kompetenz zu einer Schlüsselqualifikation geworden.

Was aber versteht man unter Interkultureller Kompetenz? Welche Vorstellungen von Gesundheit vs. Krankheit existieren und welche Rolle spielen Religion, Familie und Geschlecht? Worin unterscheiden sich die Umgangsformen und wie gehe ich damit um? Diese und andere Fragen sind Inhalt des Vortrags und des Workshops. Anhand von Informationen und praktischen Beispielen lernen Sie, Situationen im Alltag besser einzuschätzen und zu verstehen, erweitern Ihre Interkulturelle Kompetenzen und gewinnen neue Impulse für die tägliche Arbeit.

 

Sandra de Vries wurde 1964 in Kathmandu, Nepal, geboren. Sie ist Ethnologin (M.A.) und Interkulturelle Trainerin. Sie studierte Ethnologie, Publizistik und Soziologie in Münster und Tübingen. Bis 2009 war sie Mitarbeiterin und Koordinatorin im Bereich Erwachsenenbildung des Vereins Ethnologie in Schule und Erwachsenenbildung (ESE e.V.) am Institut für Ethnologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Seither ist sie selbstständige Trainerin für Interkulturelle Kompetenz, Beratungen und Konzepte, X-pert Trainerin. Sie führt Vorträge, Seminare und Projekte im Bereich der Erwachsenenbildung sowie der Kinder- und Jugendarbeit durch und arbeitet in der Beratung von Fachkräften, u. a. in der Familien- und Pflegekinderhilfe.

Auch das noch… - Wie sexuiert kann / darf / soll / muss Maßregelvollzugspraxis sein?

„Sexualitätlichkeiten" werden als Recht, Forderung, Anspruch, Provokation, als „Unterleben der Anstalt", bestenfalls aber auch Lebendigkeit, als Chance erlebt. Immerhin: Solch Einbruch von Sinnlichkeit, Lust, Intimität, Auf-/Reiz in den überregulierten Absicherungsrahmen des Maßregelvollzug legt institutionelle, professionelle, persönliche Abwehrformationen bloß. Der Bedarf an Orientierung, Standards, an Fachlichkeit statt Phrasen / Meinung / Ideologie / Stigmatisierung ist immens. Wenn es schon keine end-/gültigen Antworten gibt, hilft vielleicht erst einmal, das Reizthema zur Sprache zu bringen, offen – hier: als tagungsöffentliche Selbsthilfegruppe – zu thematisieren. Was anfangen mit dem Dogma, Untergebrachte als sexuelle Subjekte zu kennen, zu erkennen (dabei zu verkennen), anzuerkennen? Fürwahr: Was eigentlich wissen wir über die Sexualität ‚unserer‘ Patient:innen?

 

Dr. Ulrich Kobbé, Dipl.-Psych., Dr. phil., Klinischer und Rechtspsychologe, Psychotherapeut, Supervisor; langjährige Psychotherapie-, Prognoseberatungs-, Leitungs-, Gutachten-, Supervisionspraxis im Maßregelvollzug inkl. Vorsitz eines Klinischen Ethik-Komitees; universitäre Lehr- und Forschungspraxis einer Vertretungsprofessur; vielfältige Zeitschriften- und Buchveröffentlichungen

Gutachtenseminar - Teil 2

Liba Ivankova und Ralf Sternitzke

Aufbauend auf dem ersten Teil des Gutachtenseminars am 4. November erhalten die Teilnehmenden im zweiten Teil weitere Einblicke in die gutachterliche Tätigkeit. Da diese fachliche Sonderveranstaltung mehr Zeit in Anspruch nimmt, beginnt das Seminar bereits um 11.30 Uhr und wird in Form eines Brunchsymposiums abgehalten.

Wichtiger Hinweis: Teilnehmende, die das Gutachtenseminar am 1. Tag gebucht haben, sind automatisch für die Teilnahme am 2. Tag angemeldet. Eine Teilnahme an nur einem der Seminartage ist nicht möglich.

AUSGEBUCHT - Seminar 1 - Mitarbeiterinnen im Maßregelvollzug und das Problem der Grenzüberschreitungen

Dr. Norbert Schalast

Im Vertiefungsseminar soll u. a. überlegt werden, unter welchen Rahmenbedingungen – zum Beispiel Angebote beruflicher Selbsterfahrung und Supervision – eine wirksame Auseinandersetzung mit der Problematik denkbar ist.

 

Seminar 2 - Besonderheiten in der therapeutischen Beziehung bei forensisch-psychiatrischen Patient:innen

Dr. Henning Hachtel

Im Vertiefungsseminar besteht die Möglichkeit, die verschiedenen Aspekte des vorangegangenen Vortrags zu vertiefen.

 

Seminar 3 - Auch das noch… - Wie sexuiert kann / darf / soll / muss Maßregelvollzugspraxis sein?

Dr. Ulrich Kobbé

Im Vertiefungsseminar werden die unterschiedlichen Perspektiven auf die im Vortrag dargestellte komplexe Thematik rund um den Umgang mit Sexualität im Maßregelvollzug näher beleuchtet und diskutiert.

 

Seminar 4 - Künstliche Intelligenz in der forensischen Prognosebeurteilung - Chancen und Risiken 

Dr. Felix Butz

Im Vertiefungsseminar findet eine nähere Auseinandersetzung mit den Inhalten des um 15.30 Uhr folgenden Vortrags statt.

 

AUSGEBUCHT - Seminar 5 - Interkulturelle Kompetenz in der Beziehungsgestaltung im Maßregelvollzug

Sandra de Vries

Die im Vortrag aufgeworfenen Fragestellungen werden im Vertiefungsseminar genauer beleuchtet. Anhand von Informationen und praktischen Beispielen lernen Sie, Situationen im Alltag besser einzuschätzen und zu verstehen, erweitern Ihre interkulturellen Kompetenzen und gewinnen neue Impulse für die tägliche Arbeit. Hinweis: Dieses Seminar ist bereits ausgebucht.

Die LIVELT wurde entwickelt, um die Wahrscheinlichkeit von Entweichungen oder Lockerungsmissbräuchen abzuschätzen. Sie wird seit 2013 in der Klinik Nette-Gut (KNG) für Forensische Psychiatrie im Rahmen der Lockerungsbeurteilung eingesetzt. Die vorgestellte Studie soll erstmals die Vorhersagekraft der LIVELT für verschiedene Zielkriterien wie Entweichungen und verschiedene Arten des Lockerungsmissbrauchs untersuchen. Über die mit der LIVELT erhobenen Faktoren wurden weitere Faktoren in die Analyse einbezogen, die sich in anderen Studien als prädiktiv für die Lockerungsprognose erwiesen haben, u. a. solche, die sich auf vorhandene Ressourcen der Probanden und Probandinnen beziehen. Implikationen für den weiteren Einsatz der LIVELT sowie mögliche Weiterentwicklungen werden diskutiert.

 

Dr. Barbara Bergmann studierte Psychologie an der an der Christian-Albrechts-Universität Kiel mit dem Schwerpunkt Rechtspsychologie und promovierte 2018 zum Thema „Expertise in der Kriminalprognose". Sie war als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kriminologie der Universität Tübingen sowie am Lehrstuhl für Kriminologie und Strafrecht der Universität Mainz tätig. Seit 2023 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung für Sozial- und Rechtspsychologie an der Universität Bonn. In ihrer Forschung befasst sie sich u. a. mit Möglichkeiten der Vorhersage und der Prävention von delinquentem Verhalten.

Künstliche Intelligenz breitet sich in immer weitere Bereiche unseres Lebens aus. Von der Kreditvergabe über die medizinische Behandlung bis hin zum Autofahren bestimmen Algorithmen zunehmend mit. Auch das gesellschaftlich hoch relevante Strafjustizsystem mit seinen vielfältigen Einrichtungen bleibt vom Einfluss der künstlichen Intelligenz nicht frei. Insbesondere die Beurteilung und Vorhersage von Gefährlichkeit, wie sie in der forensischen Psychiatrie Relevanz hat, ist ein Anwendungsfeld, das in anderen Ländern der Welt bereits erschlossen wird. Vortrag und Vertiefungsseminar gehen hierauf aus einer deutschen Perspektive ein: Welche Instrumente und Anwendungsfelder gibt es? Was sind Gefahren, was sind Chancen der Anwendung automatisierter Prognoseinstrumente im forensischen Kontext? 

 

Dr. Felix Butz studierte Rechtswissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen und promovierte mit einer Arbeit zum Wandel der polizeilichen Sozialkontrolle im Angesicht des Massendatenzeitalters zum Dr. jur. (Universität Leipzig). Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Kriminologie und Rechtssoziologie (Prof. Dr. Katrin Höffler) an der Universität Leipzig und Referendar am Kammergericht Berlin. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Wechselwirkungen zwischen informationstechnologischem Wandel, Recht und Gesellschaft, insbesondere im Bereich des Strafens und der Prävention. 

 

Dr. Frank Goldbeck, Ärztlicher Direktor und Einrichtungsleiter der Klinik Nette-Gut

 

Wir freuen uns darauf, Sie zu unseren nächsten Forensiktagen am 3. und 4. November 2025 zu begrüßen – Save the date!

Tagungsmanagement

Maike Söller
Rhein-Mosel-Akademie

Institut für Fach- und Führungskräfte im Gesundheits- und Sozialwesen

Vulkanstraße 58 • 56626 Andernach

Maike Söller

Tel.: 02632 407-5610

Fax: 02632 407-5805

m.soeller@landeskrankenhaus.de

rhein-mosel-akademie.de

BUCHUNGSINFORMATIONEN

Zielgruppe: Die Veranstaltung richtet sich an Kolleginnen und Kollegen aller Berufsgruppen und Interessierte, die in ihrer täglichen Arbeit mit verhaltensauffälligen, psychisch erkrankten oder kriminellen Menschen zu tun haben.
Termin: Montag, 4. November, von 8.30 bis 16 Uhr und Dienstag, 5. November, von 9.15 bis 16.15 Uhr
Tagungsort: Konferenzzentrum der Rhein-Mosel-Fachklinik Andernach • Vulkanstraße 58 • 56626 Andernach
Anmeldefrist: Da nur begrenzte Plätze zur Verfügung stehen, bitten wir Sie, sich bis zum 14. Oktober anzumelden.
Bestätigung: Nach der verbindlichen Anmeldung wird Ihnen eine Anmeldebestätigung zugeschickt, die Sie bitte zu Beginn der Tagung vorlegen.
Kosten: Der Teilnahmebeitrag für die Forensiktage 2024 beträgt inkl. Tagesverpflegung für beide Tage 199 € (zzgl. MwSt.), für einen Tag 104 € (zzgl. MwSt.). Der Kostenbeitrag für die Abendveranstaltung und das Abendessen am 4. November 2024 beträgt 35 € (inkl. MwSt.). Getränke sind selbst zu zahlen.
Akkreditierung: Die Akkreditierung der Veranstaltung ist bei der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz und der Bezirksärztekammer Koblenz beantragt.
Unterkünfte: Das ausführliche Gastgeberverzeichnis der Stadt Andernach finden Sie auch unter andernach-tourismus.de.

Es gelten die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Rhein-Mosel-Akademie.