Pflege in der Forensik

Forensisch-psychiatrische Pflege

Forensisch-psychiatrische Pflege bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen professionell pflegerischer Fürsorge, Beziehungsgestaltung und sozialer Kontrolle. Das bedeutet, dass in der Beziehungs- und Alltagsgestaltung mit den Patient:innen immer auch sozial anerkannten Normen und Werten einfließen. Hierfür ist die Reflexion der eigenen Werte und Handlungen unabdingbar, z.B. im Hinblick auf Macht, Kontrolle, Fürsorge oder Autonomie. Ohne ein hohes Maß an Empathie und Kommunikationsfähigkeit ist professionelle Beziehungsgestaltung im Maßregelvollzug nicht möglich.

Patient:innen sollen mit Hilfe der Pflegefachkräfte in konkreten Alltagssituation lernen, wie sie ein für sie typisches Krankheits- und Deliktverhalten erkennen und verhindern können, z.B. im  Umgang mit Konflikten, Frust oder Ärger.

Bewusst wird in der Klinik Nette-Gut von Patient:innen und nicht, wie es im MRV-Gesetz Rheinland-Pfalz heißt, von „untergebrachten Personen“ gesprochen. So wird deutlich, dass es sich in erster Linie um ein Krankenhaus handelt, in dem kranke Menschen medizinische, psychologische und pflegerische Unterstützung erhalten, damit sie keine weiteren Straftaten mehr begehen. Dies deckt sich ebenfalls mit dem Ziel des Maßregelvollzugs der „Besserung und Sicherung“. Im Vordergrund steht die Behandlung der Erkrankung, die zu einer Straftat geführt hat. Gleichzeitig besteht ebenso der Auftrag des Schutzes der Gesellschaft vor weiteren Straftaten des/der Patienten/Patientin.

Die pflegerische Arbeit ist eingebettet in die multiprofessionelle Behandlung der Patient:innen. Gemeinsam mit dem/der Patienten/Patientin und seinen/ihren Angehörigen werden Behandlungsziele geplant und kontinuierlich überprüft. Diese Behandlungsziele und die von den Pflegefachkräften beobachtete Verhaltensweisen des/der Patienten/Patientin werden regelmäßig und systematisch in multiprofessionellen Teamsitzungen besprochen und fließen in die weitere Behandlungsplanung, wie zum Beispiel mögliche Lockerungen und Entlassperspektiven, ein.

Pflegerische Arbeit in der Klinik Nette-Gut

Der Kern der forensischen Pflege wird oftmals mit dem Begriff „Sozio- und Milieutherapie“ umschrieben. Die Sozio- und Milieutherapie ist im Maßregelvollzugsgesetz Rheinland-Pfalz seit 2016 fest als pflegerische Aufgabe verankert. Sie bedeutet „ein für den Patienten förderliches Milieu und soziales Umfeld zu gestalten und sich dabei möglichst an den Bedürfnissen des Patienten zu orientieren."(Müller, 2018) 

Soziotherapie

  • Unterstützung der Patient:innen und ggf. der Angehörigen bei der Re-Integration in ein neues oder das altes soziale Umfeld 
  • Positive Veränderung des Umgangs der Patient:innen mit der eigenen Erkrankung
  • Vorbeugung einer weiteren Erkrankung oder Verschlechterung
  • Verbesserung des Selbstbewusstseins und des Selbstvertrauens der Patient:innen durch Förderung der Ressourcen

Milieutherapie

  • Schaffung eines Übungsfelds für die Patient:innen, in welchem sie die erforderlichen Kompetenzen erlernen und erproben können. Dieses Übungsfeld richtet sich an den Bedürfnissen der Patient:innen aus und kann als strukturierend, equilibrierend (ausgleichend), animierend, reflektierend oder betreuend gestaltet werden.

Präsenz, positive Zuwendung, Tagesstrukturierung, Begleitung, Motivation, aber auch Aufsicht und Kontrollen gehören zu den Aufgaben der Pflegefachkräfte (Spannungsfeld zwischen pflegerischer Sorge und sozialer Kontrolle). Präventive und deeskalierende Interventionen können psychische Krisen oder Aggressionsereignisse und somit Zwangsmaßnahmen verhindern, aber nicht gänzlich ausschließen. So gehören auch Krisenintervention und eine psychiatrische Intensivbetreuung von stark eigen- und/oder fremdgefährdenden Patient:innen zum Aufgabengebiet.

Der Pflegeprozess wird in Abstimmung mit dem Gesamtbehandlungsplan des/der Patienten/Patientin und wenn möglich, gemeinsam mit ihm/ihr und bestmöglich auch seinen Angehörigen, unter Beachtung von Wünschen, Ressourcen und Bedürfnissen erstellt und fortlaufend prozesshaft daran gearbeitet. Innerhalb der soziotherapeutischen und milieutherapeutischen Tätigkeiten und mit dem übergeordneten Ziel der Resozialisierung steht in einer Forensischen Psychiatrie nicht die Übernahme der Aktivitäten des täglichen Lebens (z.B. Nahrungsaufnahme, Hygiene, Bewegung und Schlaf) im Vordergrund, sondern die Motivation, Förderung und Anleitung der Patient:innen in der eigenständigen Durchführung dieser alltäglichen Lebenssituationen. In einem speziell konzipierten Lockerungskonzept werden die Patient:innen individuell und schrittweise begleitet. Diese Lockerungen erstrecken sich von Erprobungssituationen auf Station und dem Klinikgelände, über pflegerisch begleitete Ausgänge zu Einkäufen und Freizeitaktivitäten, bis hin zu Ausgängen gemeinsam mit Mitpatient:innen oder alleine. Die letzte Phase der Erprobung vor einer Entlassung findet in einer eigenen Wohnung oder betreuten Einrichtung statt und wird ebenfalls kontinuierlich und multiprofessionell begleitet. Die Begleitung von Patient:innen zu Gerichts- und Arztfahrten, sowie die ausführliche Vor- und Nachbereitung einer jeden Lockerung zählt ebenfalls zu den Aufgaben der Beschäftigten im Pflegedienst.

Pflegerisch geleitete Gruppen dienen dazu, den Patient:innen sowohl gesundheitsförderliche Inhalte zu vermitteln (z.B. in Form von Psychoedukation, Entspannungstechniken), den Alltag zu strukturieren, zu gestalten und zu aktivieren (beispielsweise Freizeitgruppen, Kochgruppen) und dabei gleichzeitig wichtige soziale Kompetenzen zu erwerben und zu erproben.

Alle neuen Mitarbeitenden werden einem/r Mentor:in zugeteilt und systematisch eingearbeitet.

In jährlich stattfindenden Gesprächen zur Leistung und Entwicklung werden Fortschritte sichtbar, Entwicklungspotential besprochen und gezielt Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten festgelegt. Verschiedene Dienstzeitenmodelle und Rahmendienstpläne lassen möglichst verlässliche Planungen zu.

Die fachliche Weiterentwicklung der Profession Pflege hat in der Klinik Nette-Gut einen hohen Stellenwert. Deshalb werden motivierte und geeignete Pflegende unterstützt, wenn sie die Fachweiterbildung forensisch-psychiatrische Pflege oder einen pflegerischen Studiengang absolvieren möchten. Außerdem fördert das Management Mitarbeitende, die als Krankenpflegehelfer:in in der Klinik arbeiten und die Ausbildung zur Pflegefachkraft absolvieren wollen.

Ihre Ansprechpartner in der Pflege

Müller, Frank
Frank Müller
Pflegedirektor & Leiter Fördern | Wohnen | Pflegen – Gemeindepsychiatrie

Tel.: 06731 50-1562

f.mueller@rfk.landeskrankenhaus.de